Blaubeeren und Vanilleeis
dachte außer an Männer. Und selbst wenn er jede Krone, die ihm in die Hände fiel, in seine Sparbüchse steckte, würde es Tage und Jahre dauern, bis er wieder einen Grund hätte, zur Bank zu gehen.
Wenigstens konnte er sicher sein, dass sie keinen von den Männern heiraten würde, die nach Island gekommen waren, um mit dem Naturverein dagegen anzukämpfen, dass an irgendeinem Fluss im Osten des Landes ein Kraftwerk gebaut wurde. Sie kamen aus dem Ausland und waren ziemlich abgedreht, fand er. Die Haare hingen ihnen bis über die Augen und die meisten sahen eher gammelig aus.
»Unsinn«, meinte Mama. »Das sind gute und umsichtige Menschen, die nicht zulassen, dass unsere Erde zerstört wird. Weder in Island noch anderswo.« Eine der Frauen rauchte zwar Zigaretten, aber wenigstens schnipste sie den Stummel nicht einfach in die Gegend, wie Guffis Vater es immer tat.
Und jetzt wollte Mama also mit diesen Leuten in den Osten fahren, um gegen das Kraftwerk zu demonstrieren. Tumi fand das völlig absurd. Klar, sie alle mussten die Natur schützen. Aber trotzdem – er war dagegen, dass sich Mama deswegen in den Bergen und in der Einöde herumtrieb. Mütter sollten sich in diese Dinge nicht einmischen. Zumindest seine nicht. Er kannte keine andere Mutter, die ständig demonstrierte.
»Wenn alle aufstehen und demonstrieren würden, dann gäbe es keine zerstörten Landschaften«, sagte Vildis. Sie ist eigentlich immer einer Meinung mit Mama.
»Aber es stehen halt nur ein paar Menschen auf«, sagte Tumi.
»Das ist das Problem«, sagte Vildis. »Viele sind einfach Dummköpfe und denken nicht nach.«
Den ganzen Juni über hatte es geregnet. Ein öder Sommer, fanden die Kinder. Sie hatten viel Zeit im Haus zubringen müssen. Fußball gespielt hatte Tumi natürlich trotzdem bei jedem Wetter, und er war jeden Tag dreckig und durchnässt mit der ganzen Mannschaft nach Hause gekommen. Die Jungs verteilten überall im Haus Klümpchen vom Kunstrasenplatz, die unter den Fußballschuhen klebten, und Vildis hörte nicht auf, sich darüber aufzuregen. Schließlich bewegte sie Mama dazu, den Jungs zu sagen, dass sie ihre Schuhe draußen auf der Treppe ausziehen sollten. Zu dem Preis, dass hinterher keiner mehr wusste, wem welche Schuhe gehörten. Am Ende saß Tumi mit viel zu kleinen Schuhen da und Mama musste ihm wohl oder übel neue kaufen. Tumi vermutete, dass Gudjon, genannt Raggi, in seinen Schuhen auf die Kanarischen Inseln gefahren war.
Und dass auch Oma und Opa ihren Urlaub auf den Kanaren verbrachten, hatte diesen missratenen Sommer nicht besser gemacht. Doch zum Glück waren sie nun wieder zurück, und Opa hörte gar nicht mehr auf, sich darüber zu freuen, wieder auf dem Wallhof zu sein. Er sagte, dass er noch nie etwas so Sterbenslangweiliges erlebt habe, wie am Strand herumzuhängen und in die Luft zu starren oder das Hinterteil eines dicken Touristen anzugaffen, der direkt neben ihnen lag. Oma hingegen war begeistert.
»Wir haben so viele nette Leute kennengelernt«, sagte sie. »Wir waren sogar bei einem ganz sympathischen Ehepaar aus Island zum Essen eingeladen.«
»Da gab’s vielleicht Delikatessen«, sagte Opa unwirsch. »Pferdewurst mit zerlassener Butter – so eine Hausmannskost kann ich genauso gut zu Hause essen.«
»So etwas hättest du bei mir nie bekommen«, sagte Oma und lachte.
Mama prustete los. »Hatten die etwa Würste dabei?«, fragte sie.
»Jaja. Und halb getrockneten Fisch«, brummte Opa.
»Manche Menschen sind verrückt«, stellte Vildis fest.
»Da sagst du was Wahres«, stimmte ihr Opa zu.
»Es sind nun mal nicht alle gleich«, sagte Oma.
»Nein, Gott sei Dank«, sagte Opa.
Und nun wollten Oma und Opa das Haus hüten, während Mama demonstrieren ging. Die Kinder fanden das toll. Wenn Oma und Opa auf dem Wallhof das Sagen hatten, gab es jede Menge Ausnahmen.
»Heute Abend essen wir Abendessen«, sagte Opa vergnügt, und die Kinder lachten sich kringelig. »Eure Großmutter kocht und ich unterhalte euch in der Zwischenzeit. Und es steht weder halb getrockneter Fisch noch Wurst auf dem Speiseplan.«
Als Mama aufgebrochen war, ging es am Abendbrottisch munter zu. Nachdem sie unzählige panierte Koteletts mit Kartoffelsalat verdrückt hatten, holten Oma und Opa ein Paket voller Geschenke hervor, die sie für die Kinder von den Kanaren mitgebracht hatten. Vildis bekam ein Handarbeitskästchen mit bunten Perlen, Bändern, Schneckenhäusern, Muscheln und allem möglichen anderen
Weitere Kostenlose Bücher