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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Helgadottir
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in die Tschechoslowakei und so weiter und so fort. Ich will euch sagen, wie sich manche Leute aufgeführt haben. Einmal hat ein völlig übergeschnappter Mann eure Oma mit einem Ei und mich mit einer Tomate beworfen. Aber dem Rüpel habe ich’s gezeigt. Die Tomate habe ich in der Luft aufgefangen und vor seiner Nase verputzt.«
    Die Kinder quietschten laut auf, als sie das hörten.
    »Aber eure Oma hat das Ei in die Haare bekommen«, erzählte Opa weiter. »Und sie war stinkwütend, weil sie eine frische Dauerwelle hatte.« Er lachte ganz tief aus dem Bauch heraus, wie er es manchmal tat.
    »Das war überhaupt nicht angenehm. Schließlich war das kein Spiegelei«, sagte Oma, während die Kinder vor lauter Lachen kaum noch Luft bekamen. »Ich war völlig verschmiert.«
    »Eure Großmutter war so fuchsteufelswild, dass ich Angst hatte, sie würde auf den Schuft losgehen«, sagte Opa.
    Die Kinder konnten sich kaum vorstellen, dass sich Oma mal mit einem Eier werfenden Rüpel prügeln wollte.
    »Wart ihr denn ganz anders, als ihr jung wart?«, fragte Tumi.
    »Tja, mag sein, dass wir mit dem Alter etwas ruhiger geworden sind«, sagte Opa.
    »Meinst du, dass jemand Mama mit Eiern bewirft?«, fragte Tumi besorgt.
    »Das glaube ich kaum. Niemand hat Lust, auf einen Berg zu steigen, nur um ein paar Leute mit Eiern zu bewerfen«, sagte Opa. »Aber noch weniger haben die Leute anscheinend Lust, gegen dumme Entscheidungen zu demonstrieren. Was soll’s, reden wir lieber über etwas Schönes.«
    Er ging raus, und als er zurückkam, hatte er eine große Tüte dabei, aus der er alle möglichen Süßigkeiten von den Kanaren hervorzauberte: Schokolade, Lollis und Karamell, und jeder durfte essen, so viel er wollte.
    »O Mann, wenn Mama das wüsste«, sagte Vildis. »Dann würde sie garantiert wieder sagen, dass wir allesamt noch einen Zuckerschock kriegen.«

    Später konnte Tumi nicht einschlafen. Er sorgte sich wegen Mama, die dort oben in den Bergen ihr Zelt aufgeschlagen hatte, mitten im Unwetter. Es wäre etwas anderes, wenn sie einen Mann wie Opa an ihrer Seite hätte, an dem sie sich wärmen könnte. Er stand auf und schüttelte seine Sparbüchse, doch es rappelte kaum.
    Hermann macht sich vor Lachen in die Hose, wenn ich damit in die Bank komme, dachte er traurig. Und außerdem setze ich keinen Fuß in diese Bank, solange Gudbrandur noch da ist.

[zurück]

    Besuch auf dem Wallhof
    An diesem Samstagmorgen ging es auf dem Wallhof ganz gemütlich zu. Die Kinder trudelten nach und nach in der Küche ein, wo Oma bereits den Tisch gedeckt hatte, als gäbe es schon wieder einen Geburtstag zu feiern: Vom Herd duftete es nach heißem Kakao, auf dem Tisch standen Kannen voll Saft und Opa war zum Bäcker gelaufen und hatte frisches Brot und warme Brötchen geholt. Auf einem großen Teller lagen außerdem Käse und mehrere Sorten Wurst und Schinken, die Oma von den Kanaren mitgebracht hatte.
    »Wow!«, platzte es aus Tumi heraus.
    »Das gefällt dir, was?«, sagte Vildis.
    »Mhm, ich bin halt so ein Genieß… Wie hast du mich noch mal genannt, Opa, als ich den Seehasenkaviar gegessen habe?«
    »Genussmensch«, sagte Opa und lachte. »Probiert mal eine Scheibe von der Pferdewurst. Eure Oma findet die besonders lecker.«
    Oma hatte die Zeitung vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. »Hört nicht auf euren Opa«, sagte sie. »Der redet nur Unsinn.« Auf einmal schrie sie auf: »Seht mal! Hier sind sie!«
    »Wer?«, fragte Vildis, obwohl sie sich schon denken konnte, wen Oma entdeckt hatte.
    »Eure Mutter und die anderen«, sagte Oma aufgeregt.
    Alle stürzten sich auf die Zeitung und tatsächlich: Ein recht unscharfes Foto zeigte eine Gruppe Menschen mit Schildern und Transparenten. Auch die Polizei war da.
    »Was machen denn diese Polizisten da?«, fragte Tumi mit ungewöhnlich leiser Stimme.
    »Sieht so aus, als würden sie die Demonstranten bitten, aus dem Weg zu gehen, damit irgendwelche Arbeitsmaschinen vorbeikönnen«, sagte Oma.
    »Werden sie verhaftet?«, fragte Tumi zaghaft.
    »Ach was, ganz bestimmt nicht«, sagte Opa munter. »So, nun esst mal.«
    »Wenn Mama ins Gefängnis kommt, haue ich ab und komme nie wieder zurück«, verkündete Tumi trotzig.
    »Tschüss«, sagte Vildis flapsig.
    Doch bevor Maßnahmen getroffen werden konnten für den Fall, dass Mama doch ins Gefängnis musste, klingelte es an der Tür. Und wenn diese Pfundsklingel klingelte, konnte das niemand überhören, denn sie schrillte, als wollte sie eine ganze

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