Blaue Rosen
geschmissen. Die Banden hatten sich
bekriegt und zwei Leichen hinterlassen, beide Insassen des roten
Autos. Dann waren Sirenen zu hören gewesen. Gerade als die
Männer wieder in ihre Wagen einsteigen wollten, bemerkte einer
der Kerle Ricky. Er schien der Boss der Bande zu sein, ein gefährlich
aussehender Typ mit einem Hut, und er gab einem seiner Männer
Anweisungen. Der rannte daraufhin auf Ricky und den Jungen zu und
stach auf sie ein. Als er dachte, sie seien beide erledigt, ließ
er sie leblos liegen, stieg schnell in das Auto und sie fuhren davon.
„ Nur,
dass ich gar nicht tot war“, schloss Ricky.
„Oh mein
Gott“, sagte Delilah. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass er
überlebt hatte. „Und was wurde aus dem kleinen
Jungen?“
„Er hat es nicht geschafft“, sagte
Ricky traurig.
„Deshalb habe ich ihn nie wieder gesehen.
Ich habe nach ihm gesucht, weißt du? Ich wollte blaue Rosen von
ihm kaufen.“
„Sie sind schwer zu bekommen, ich weiß“,
sagte Ricky. Dann grinste er schelmisch, wie früher. „Aber
du hast ja doch welche bekommen, oder?“
„Sie waren
wirklich von dir?“ Delilah war noch immer durcheinander. Wo war
Ricky all die Jahre gewesen?
Er nickte, um ihre Frage zu beantworten. „Nachdem
ich die Messerattacke überlebt hatte, und ich im Krankenhaus
einigermaßen aufgepäppelt worden war, schaffte man mich
sofort aus der Stadt. Ich durfte nicht hier bleiben, wo ich doch ein
wichtiger Zeuge eines dreifachen Mordes gewesen war. Hätten
diese Kerle erfahren, dass ich noch am Leben war, hätten sie zu
Ende gebracht, was ihnen beim ersten Mal nicht gelungen ist.“
„Aber
wo warst du denn all die Jahre?“
„Ich habe eine neue
Identität bekommen und musste ein neues Leben anfangen. Meine
Eltern wollten nicht mitkommen, sie waren schon alt und wollten nicht
noch mal von vorne anfangen. Doch ich schwebte in großer
Gefahr. Wie sie auch, aber sie wollten es in Kauf nehmen. Ich dagegen
war noch so jung. Also schickten sie mich fort. Ich kam ins
Zeugenschutzprogramm und habe mir ein neues Leben aufgebaut. Oben in
Montana.“
„In Montana?“
„Ja, in
Missoula. Ich habe dort eine kleine Ranch. Ein schönes Leben.
Nur etwas hat immer gefehlt.“
Er nahm ihre Hand.
Er sah noch genauso aus wie damals, nur ein wenig älter.
Aber das Lächeln, und diese Augen – sie waren doch
dieselben.
„Aber, Ricky, warum haben sie denn mich belogen?
Wer wusste alles davon, dass du noch lebtest?“
„Nur
meine Eltern und die Polizei. Sie konnten es dir nicht erzählen.
Um dich zu schützen. Niemand durfte es wissen. Nicht einmal du.“
Er sah sie traurig an. Und sie beide dachten an all die
verlorenen Jahre.
„ Und
ich habe die ganze Zeit gedacht, du wärst tot. Ich bin beinahe
daran verzweifelt.“ Ihre Wut war schon längst verflogen.
Sie spürte nur noch Trauer. Was hatte Ricky alles aufgeben
müssen? Was war ihnen beiden gestohlen worden?
„Für
mich war es nicht leichter, Delilah. Das Schlimmste war, dass ich
dich zurücklassen musste und dass ich wusste, was du
durchmachtest. Und ich war ganz allein mit meiner Sehnsucht und
meinen Schuldgefühlen.“
„Das alles tut mir so
leid für dich. Für uns“, sagte Delilah und hielt
seine Hand ganz fest.
„ Ich
habe versucht, alles über dich in Erfahrung zu bringen, aus der
Ferne. Ich habe einen Blumenservice mit blauen Rosen zu dir
geschickt, wann immer ich dachte, du würdest sie brauchen. Ich
war immer bei dir, Delilah. Und nach einer Weile habe ich mich
persönlich einfach auf nach San Bernardino gemacht. Es war mir
egal, ob sie mich erwischten. Ich habe mich so bedeckt wie möglich
verhalten, ich wusste doch, dass du eine neue Familie hattest. Aber
ich musste dich einfach sehen, wissen, dass es dir gut geht. Ich
vermisste dich so sehr. Dich zu verlassen, war das Schwerste, was ich
jemals tun musste.“
„Du warst also hier?“
„Ein
paar Mal, ja. Ich habe euch von Weitem beobachtet. Und ich habe dir
jedes Mal blaue Rosen da gelassen.“
„Ich habe mich
jedes Mal sehr gefreut. Ich danke dir.“
Sie sah ihm in seine wunderschönen blauen Augen und
wagte es.
„Du warst also hier. Hast du sie
gesehen?“
„Wen?“, fragte er.
„Rose.
Meine Tochter Rose.“
„Ja. Du hast wirklich eine
hübsche Tochter.“
„Wie haben eine wirklich
hübsche Tochter“, klärte sie Ricky auf.
Er fasste
sich ans Herz. „Du meinst … Rose ist …“ Er
war ganz ergriffen.
„Rose ist deine Tochter. Sie sieht aus
wie du, Ricky, sie hat deine Augen. Sie ist
Weitere Kostenlose Bücher