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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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riechen konnte, was er zu Abend gegessen hatte. Spanische Knoblauchwurst, würde ich sagen, in jedem Fall in Begleitung etlicher Biere.
    «Was bist du, Elli?», raunte Bert mir jetzt direkt in die Nase.
    Ich hielt die Luft an, als jemand direkt hinter mir ihm antwortete: «Elli ist lesbisch. Hast du das etwa nicht gewusst?»
    Bert ließ mich so abrupt los, als hätten sich gerade Hunderte von roten nässenden Pusteln auf meinem Gesicht gebildet. Tina legte mir ihre Arme um den Hals und gab mir einen langen und außerordentlich leidenschaftlichen Kuss. Mit Zunge! Ich wusste nicht, wie mir geschah, aber direkt unangenehm war es mir eigentlich nicht.
    Bert schaute uns erst entgeistert, dann erleichtert an. «Das erklärt natürlich so einiges. Ich habe mich schon gewundert, warum du dich so zierst.» Er grinste breit und selbstgefällig. «Passiert mir nämlich nicht oft, dass mich eine so lange zappeln lässt. Na ja, nichts für ungut, ich wünsche euch noch einen schönen Abend, Ladys.»
    «Den sind wir los», sagte ich ziemlich benommen.
    Auf der Klassenreise, als alle meine Mitschülerinnen ihre lesbischen Erfahrungen machten, hatte ich mir den Magen verdorben und die Tage mit grünem Gesicht im Etagenbett einer Jugendherberge in Nordholland verbracht. Ich hatte also noch nie in meinem Leben eine Frau geküsst und wusste natürlich auch nicht, wie man sich üblicherweise verhält, nachdem man eine Frau geküsst hat. Ich tat also lieber mal so, als sei nichts, und betrachtete interessiert die Leute auf der Tanzfläche. Tina hatte immer noch den Arm um mich gelegt.
    «Weißt du was, Elli, du wolltest doch unbedingt heute Nacht mit jemandem ins Bett gehen. Aber einen einigermaßen passablen Typen scheint es hier nicht zu geben. Warum versuchst du es nicht einfach mit mir?»
    «Bist du...?»
    «Lesbisch? Kann schon sein. Seit der Trennung von meinem letzten Freund vor drei Jahren hat mir jedenfalls kein Mann mehr gefallen.»
    Im Nachhinein kann ich nicht mehr genau sagen, was eigentlich in mich gefahren war. Ich denke, es war die explosive Mischung aus etwas zu viel Alkohol, etwas zu wenig Selbstbewusstsein und einer stattlichen Portion Neugier auf das, was ich in meiner Pubertät schuldlos verpasst hatte. Jedenfalls saßen Tina und ich wenig später in einem Taxi auf dem Weg zu ihr nach Hause, und ich war so schüchtern und verunsichert wie bei meiner allerersten Verabredung vor zwanzig Jahren. Alex Renz hatte mir Hoffnungen gemacht, indem er mich auf einen Kakao mit Sahne einlud. Warum er mich dann vor unserer Haustür nicht geküsst hat, verstehe ich bis heute nicht. Ich warte immer noch auf eine Gelegenheit, ihn deswegen zur Rede zu stellen.
    Als Tina und ich ausstiegen, blitzte es zweimal, und ich kam mir vor wie in einem französischen Film, den ich normalerweise nie anschauen würde.
    In ihrer Wohnung schob mich Tina auf direktem Weg ins Schlafzimmer. «Ehe du es dir wieder anders überlegst», lachte sie und holte eine Flasche Rotwein aus der Küche. Ich war wie vom Donner gerührt. Was sollte ich tun? Schreiend wegrennen?
    Ich machte drei Schritte Richtung Schlafzimmertür - und wieder zurück. Aus der Küche hörte ich Gläserklirren. Die Aussicht auf mehr enthemmenden Alkohol ermutigte mich zum Bleiben. Schließlich würde ich meinen Enkeln erzählen können, dass ich mal mit einem Fernsehstar das Bett geteilt hatte. Das Geschlecht konnte ich ja notfalls verschweigen.
    Ich zog mich blitzschnell aus, kroch in Überschallgeschwindigkeit ins Bett und zog mir die Decke bis über die Mundwinkel hoch. Das Herz klopfte mir bis in die Stirnhöhlen, und als Tina mit dem Wein kam, fiel mir ein Stofftier, das über mir auf dem Kopfteil des Bettes gesessen hatte, mitten ins Gesicht. Dass Tina nackt war bis auf die Flasche und zwei Gläser in ihren Händen, hatte ich aber noch sehen können. Und, auch das hatte ich in Sekundenschnelle erkennen können, sie hatte die wesentlich bessere Figur als ich.
    «Weißt du, was das Tolle daran ist, wenn man eine Frau mit zu sich nach Hause nimmt?», fragte sie, während ich damit beschäftigt war, den riesenhaften Stoffhasen dazu zu bringen, an seinem ursprünglichen Platz sitzen zu bleiben.
    «Was denn?»
    «Du musst vorher nicht deine Stofftiersammlung verstecken, und du kannst die geblümte Bettwäsche drauflassen.»
    Tina stellte die Gläser auf dem Nachttisch ab, schloss die Vorhänge, nahm die Fernbedienung vom Fernseher und dimmte die Deckenlampe runter - und das alles, ohne

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