Blaue Wunder
Trüffeln und Designer-Mode: Bloß weil etwas teuer ist, muss es nicht das Richtige sein. Aber man lässt sich leicht blenden. Ich weiß noch, wie ich mir zu Gregors Hochzeit was besonders Schickes gönnen wollte, um die Braut in den Schatten zu stellen. Ich fuhr nach Düsseldorf auf die Kö zum Einkaufen. Allein schon für diesen Zweck hatte ich vorher in Münster eine hochwertige Markenbluse erstanden, mit dem Logo vorne auf der Brusttasche.
Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber ich finde, in teuren Boutiquen fühlt man sich nur teuer gekleidet als vollwertiger Mensch. Es ist wie mit Banken: Willst du Geld, musst du so tun, als hättest du Geld. Brauchst du einen Kleinkredit für einen Polo, fährst du am besten mit einem Mercedes vor.
Ich klapperte also mit gut sichtbarem Markenzeichen die Läden ab. Man muss sagen, dass die ja ab Konfektionsgröße 40 nicht mehr sehr gut sortiert sind. Fast war ich so weit, statt: «Ich suche ein auffälliges Kostüm für eine Hochzeit», zu sagen: «Ich suche einfach nur was, in das ich reinpasse.» Aber schließlich wurde mir ein Kleid in die Kabine gereicht, das nicht nur widerstandslos über meinen Körper glitt, nein, ich konnte mich darin sogar frei bewegen. Und es war bereits heruntergesetzt! Euphorisch trat ich vor den Spiegel.
«Es sitzt perfekt», sagte die Verkäuferin.
«Aber es steht mir nicht, oder?», fragte ich verzagt.
«Natürlich steht es Ihnen. Es ist schließlich von Issey Miyake.»
«Ach so, ja dann.»
Nach einer Weile gelang es mir, mich einigermaßen an meinen Anblick zu gewöhnen. Ich kaufte das Kleid zu einem Preis, über den ich bis heute mit niemandem spreche.
Ich habe es übrigens kein einziges Mal getragen. Petra, der ich das Kleid glücklicherweise vor der Hochzeit zeigte, hatte mir verboten, damit das Haus zu verlassen: «Du siehst aus wie ein Lampenschirm in einem chinesischen Schnellimbiss.» Ich habe das Kleid dann bei E-Bay verkauft, für neun Euro fünfzig.
1. Stock
Wie war ich jetzt darauf gekommen? Ach ja, richtig. Martin ist zwar ein Marken-Mann, aber er steht mir trotzdem nicht. So einfach ist das. Und so traurig. Aber nicht zu ändern. Ich habe die richtige Entscheidung getroffen.
Was hatte Petra gesagt: «Die Kekse im obersten Regal sehen meistens leckerer aus als die auf Augenhöhe. Sie sind es aber oft nicht. Nicht, dass du beim Kampf um den falschen Mann den richtigen verpasst.»
Und genau das ist mir leider passiert. Ich habe nicht richtig aufgepasst. Ich habe die Sache komplett vermasselt.
Erdgeschoss
Schluchz! Oder vielleicht doch lieber wieder nach oben? Auch an Trüffel kann man sich schließlich gewöhnen, wenn man sich ordentlich Mühe gibt. Und jetzt mal ehrlich: Wenn man sich anschaut, mit was für Volltrotteln es manche Frauen aushalten müssen, kann man sich doch nur an den Kopf fassen, wenn sich eine wie ich einen wie den durch die Lappen gehen lässt. Er kann sich nicht merken, dass ich keine schwarzen Oliven mag? Hach, Gottchen, Prinzessin, andere
Typen merken erst nach fünfzig Kilometern, dass sie ihre Frau an der Raststätte vergessen haben.
Tiefgarage
Wie es mir geht? Unterirdisch natürlich! Harr, harr, harr, kleiner, verbitterter Scherz auf meine Kosten.
Ich schlurfe zu Erdals Wagen, setze mich hinein und hole tief Luft. Es ist nicht gut, so wie es ist. Aber es ist richtig. Ich starte den Motor und schalte die Scheinwerfer an.
«Die Geschichte
ist noch nicht
zu Ende.»
«Sei nicht traurig, Elli, auch andere Mütter haben schöne Söhne.»
Erdal wischt sich über die Augen. Ich weiß nicht, ob es noch an meiner Cellulitis-Creme liegt oder ob ihm tatsächlich meine Erzählung die Tränen in die Augen getrieben hat.
«Hör auf mit diesem Quatsch, Erdal, es ist besser, keinen Mann zu haben als irgendeinen.»
Ich nicke Petra dankbar zu. Ganz meine Meinung.
Es ist Sonntagmittag, und ich habe Petra vor zwei Stunden vom Flughafen abgeholt. Sie sieht unglaublich toll aus, braun, schlank und abartig entspannt. Mir hingegen sieht man die vergangene Nacht noch deutlich an.
«Bei allem Respekt, Petra, aber findest du nicht auch, dass man sich die Zeit, in der man auf den Richtigen wartet, sehr angenehm mit dem Falschen vertreiben kann?» Erdal freut sich über sein Wortspielchen und belegt sein viertes Brötchen. «Nur weil du gerade vier Wochen in Indien warst, solltest du uns nicht gleich wegen unserer westlichen Gepflogenheiten
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