Blaue Wunder
kann. Aber Gregor konnte sich das einfach nicht merken, und abgesehen davon, hielt er es schon für so irre aufmerksam, dass er mir überhaupt zu Nikolaus etwas schenkte, dass er es kleinlich fand, dass ich auch noch was haben wollte, was mir gefiel. Hätte nur noch gefehlt, dass er mir im nächsten Jahr ein paar schwarze Oliven in die Schluppen gestopft hätte.
Ich hätte diesmal gerne einen aufmerksamen Partner. Als ich vor ein paar Tagen mit Erdal und Karsten Lasagne machte, haben die beiden mich fast zu Tränen gerührt. Wir hatten uns aufgegeben, Karsten und ich legten los, nur Erdal zögerte, wartete, bis Karsten seinen ersten Bissen runtergeschluckt hatte, und fragte dann:
«Karsten, muss ich nachsalzen?»
«Ja, dir wird es etwas zu fade sein. Und du brauchst auch noch ein bisschen Pfeffer.»
Das ist ja so unglaublich liebevoll und vertraut, wenn der eine dem anderen das Essen vorkostet und dann genau sagen kann, welche Gewürze ihm fehlen werden. Ich war komplett ergriffen, und während Erdal nachwürzte, pries ich die Liebe der beiden in den höchsten Tönen.
Als Martin kurz vor Mitternacht die Rechnung bestellte, war uns beiden klar, dass der Abend noch nicht zu Ende sein würde. Als wir uns dem Abendrothsweg näherten, sagte Martin: «Ich würde dir natürlich anbieten, dich nach Hause zu fahren, aber erstens weiß ich immer noch nicht genau, wo du wohnst, und zweitens möchte ich dich eigentlich noch nicht nach Hause fahren.»
«Ich möchte auch noch gar nicht nach Hause», sagte ich und dankte im Stillen Erdal, der mich gezwungen hatte, mir zu diesem bedeutsamen Anlass einen Satz neuer und ungeheuerlich teurer Unterwäsche zu kaufen. «Außergewöhnlicher Sex beginnt bei außergewöhnlichen Dessous», hatte er altklug erklärt, und ich habe lieber gar nicht gefragt, woher er das so genau weiß. Die Sache mit den Zwiebelringen hatte mich diesbezüglich vorsichtig werden lassen.
Meine außergewöhnlichen Dessous - Erdal hatte mir zu dem Farbton «Mauve» geraten, wie sich herausstellte das Angeberwort für Lila - liegen jetzt jedenfalls achtlos neben der Schlafzimmertür. Ich will nicht unnötig ins Detail gehen, aber ich denke, ich verrate nicht zu viel, indem ich sage, dass ich im Eifer des Gefechtes durchaus auch eine graue Frotteeunterhose hätte tragen können, ohne dass es Martin aufgefallen wäre. Es war eine verzauberte Nacht. Und eine kurze.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass Martins Wecker in wenigen Minuten klingeln wird. Er hatte mich schon vorgewarnt, dass er um kurz nach sechs aufstehen müsse, weil er mit einem Lieferanten verabredet war. Ich stehe leise auf, ziehe meine schnieke Wäsche an und krieche zurück ins Bett. So rechnet sich die kostenintensive Anschaffung vielleicht doch noch. Als der Wecker klingelt, tue ich so, als sei ich aus allertiefstem Schlaf erwacht. Ich persönlich vermute nämlich, dass blinzelnde, sich räkelnde Frauen auf Männer beschützenswert, anrührend und anregend wirken.
Ich blinzle also, was das Zeug hält, aber leider hat Martin anscheinend gar keine Zeit, meinem anrührenden Wesen in mauvefarbener Verpackung ausgiebig Beachtung zu schenken. Er gibt mir einen kurzen Kuss auf die Schulter und steigt aus dem Bett.
«Bleib ruhig so lange liegen, wie du magst. Ich spring kurz unter die Dusche und bin gleich wieder bei dir.»
Ich blinzle verstärkt und antworte mit einem seligen Seufzen. Das klingt doch gut. Mensch, bin ich glücklich. Ich kuschle mich zurück ins Kissen und singe leise vor mich hin:
Ich geh mit dir, wohin du willst,
auch bis ans Ende dieser Welt... sogar bis nach
Bielefeld.
Zehn Minuten später steht Martin, bereits komplett angezogen, in der Tür des Schlafzimmers. Ich richte mich etwas verwirrt auf. Ich hatte mit einer etwas, nun ja, körperbezogeneren Verabschiedung gerechnet.
«Musst du schon los?», frage ich zaghaft.
«Ja, ich habe dir doch gesagt, dass ich einen frühen Termin habe. Aber mach dir keinen Stress. Du weißt ja, wo der Kaffee steht, und wenn du gehst, zieh einfach die Tür hinter dir zu.»
Martin macht eine Pause und schaut mich so eindringlich an, dass ich schon fürchte, er hat womöglich eine Allergie gegen Mauve.
«Elli, das war eine wunderschöne Nacht.»
«Das finde ich auch.»
«Der Spaziergang, der Abend, das war so entspannt und schön, dass ich alles andere vergessen habe.»
«Mmmh.»
«Ich dachte bis gestern, ich hätte die richtige Entscheidung getroffen. Aber jetzt bin ich mir da
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