Blauer Montag
Antwort.
»Von Matthew nach wie vor keine Spur. Und wenn ich sage, keine Spur, dann meine ich damit: nicht die geringste. Keinen Faden, keine Faser. In dem Haus gab es einen Raum, den sie gerade frisch gestrichen haben. Die Farbe war noch feucht. Mal angenommen, sie hätten ihn dort gefangen gehalten, dann wäre
jetzt jede Spur von ihm überdeckt. Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, dass er längst tot ist und ich mich gerade für dumm verkaufen lasse. Es kommt mir vor, als wollte mich jemand in eine Welt aus Schatten und Hoffnungen locken. Wenn es die Eltern des Jungen wären, könnte ich es ja noch verstehen. Aber Sie steigen voll darauf ein.«
Frieda betrachtete das Foto so eindringlich, dass ihr davon fast schon der Kopf schmerzte. »Es ist ein altes Familienfoto«, stellte sie fest.
»Ja, wahrscheinlich.«
»Schauen Sie mal.« Frieda legte eine Hand über den oberen Teil des Bildes, sodass das Haar der Frau abgedeckt war.
»Was?«
»Sehen Sie denn nicht die Ähnlichkeit? Mit Dean Reeve, und auch mit Alan. Es muss seine Mutter sein. Ihre Mutter.« Frieda begann nachdenklich vor sich hin zu murmeln.
»Sollte ich jetzt verstehen, was Sie da von sich geben?«
»Wissen Sie noch, wie ich zu Ihnen gesagt habe, Joanna könnte von einer Frau entführt worden sein? Mit einem Mann wie Dean Reeve wäre sie bestimmt nicht mitgegangen. Aber vielleicht mit ihr. Meinen Sie nicht auch?«
»Tut mir leid«, antwortete Karlsson, »aber ich war in Gedanken wohl gerade bei anderen Dingen. Unter anderem muss ich eine Ermittlung leiten, Leute verhören, diversen falschen Spuren nachgehen und alle möglichen anderen Lappalien erledigen. Es gibt so etwas wie Regeln. Wir brauchen konkrete Anhaltspunkte, handfeste Beweise.«
Frieda ignorierte ihn. Sie fixierte das Foto, als könnte sie es auf diese Weise zur Herausgabe seiner Geheimnisse zwingen. »Ob sie wohl noch lebt? Rein vom Alter her wäre das durchaus denkbar.«
»Das lässt sich herausfinden«, sagte er.
Plötzlich fiel Frieda wieder ein, was sie ihn schon die ganze Zeit fragen wollte. »Ist mit Ihren Kindern alles in Ordnung?«
»Sie sind wieder bei ihrer Mutter, falls Sie das meinen.«
»Sind die beiden mit Josef klargekommen?«
»Er hat Pfannkuchen für sie gemacht und ihnen mit wasserfester Tinte Muster auf die Beine gezeichnet.«
»Gut«, meinte sie grinsend, wurde aber gleich wieder ernst. »Behalten Sie Dean im Auge?«
»Klar, auch wenn es nicht viel nützen wird«, gab Karlsson in grimmigem Ton zurück. »Selbst wenn Sie richtig liegen, weiß er jetzt ja, dass wir ihn auf dem Kieker haben.«
»Sie meinen, er wird Sie nicht zu Matthew führen, weil er davon ausgeht, dass Sie ihn beobachten?«
»Genau.«
»Aber wenn die beiden Matthew irgendwo anders versteckt haben, müssen sie ihm doch etwas zu essen und zu trinken bringen.«
Er zuckte mit den Achseln. Seine Miene wirkte düster. »Wahrscheinlich ist dieser Dean gar nicht unser Mann«, gab er zu bedenken, »und wenn doch, dann hat er den Jungen wahrscheinlich längst getötet. Sollte er sich damit aber wider Erwarten noch Zeit gelassen haben, dann hat er ihn vermutlich umgebracht, nachdem Sie an seine Tür geklopft hatten. Und wenn nicht… nun, dann braucht er jetzt nur auf seinem Hintern sitzen zu bleiben und zu warten.«
Karlsson beugte sich über Rose, die gerade das Foto studierte. In ihrer kleinen Küche war es kalt. Ein hässlicher brauner Fleck verunzierte die Decke des Raums. Der Heizkörper an der Wand gurgelte, und ein Wasserhahn tropfte.
»Und?«, fragte er schließlich.
Rose blickte zu ihm hoch. Ihm fiel auf, was für eine bleiche, zarte Haut sie hatte und wie deutlich man die feinen blauen Äderchen unter der Oberfläche sehen konnte.
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Aber Sie sind der Meinung, sie könnte es sein?« Am liebsten
hätte er sie an ihren schmalen Schultern gepackt und geschüttelt.
»Ich weiß nicht«, wiederholte sie, »ich kann mich nicht erinnern.«
»Das Bild weckt bei Ihnen also keine Erinnerung?«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Damals war ich doch noch ein kleines Mädchen«, erklärte sie. »Ich habe das alles längst vergessen.«
Karlsson richtete sich auf. Sein Rücken schmerzte, und sein Nacken fühlte sich steif und wund an. »Natürlich«, sagte er. »Was habe ich eigentlich erwartet?«
»Es tut mir leid. Aber Sie wollen doch nicht, dass ich etwas sage, das Sie auf eine falsche Spur bringt?«
»Warum nicht?« Sie erschraken beide über sein
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