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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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sagen. Kein Wort. Lieber vor Kälte verbrennen als ein Wort sagen.
    Ein Kratzen. Ein Keuchen. Hellere Dunkelheit, die den weichen Augen wehtut. Die leise Stimme des Meisters. Nur nichts sagen. Keinen Laut. Nicht einmal atmen.
    Wieder das Kratzen, dann dunklere Dunkelheit.
    O nein. O nein. Dieses Geräusch, das kam nicht von ihm. Es klang wie das Keuchen eines wilden Tiers. Wie ein wildes Tier, das neben ihm schrie. Wieder und immer wieder. Da war etwas, das nach ihm tastete, ihn schüttelte und dabei plärrte und schrie. Endloses Geschrei. Schrill und wahnsinnig. Gleich würden ihm davon die Ohren platzen. Er durfte nicht sprechen. Es war ein Test, und er musste ihn bestehen, denn wenn er ihn nicht bestand, dann war es vorbei.
    Es ging immer weiter. Das Geschrei war um ihn herum und in ihm drin, ein schwellendes, hallendes Kreischen, dem er nicht entkommen konnte. Die Finger über die Ohren gelegt, den Körper zusammengerollt. Kopf auf Stein, scharfe Knie auf
scharfen Steinen. Sand in den Augen, brennende Haut, mach keinen Laut. Es war einmal ein kleiner Junge.
     
    Es lief nicht so, wie Frieda sich das vorgestellt hatte. Sie sprangen nicht in den Wagen, um schnurstracks zu dem Haus zu fahren. Stattdessen fand Frieda sich eine Stunde später in Karlssons Büro wieder, wo eine uniformierte Beamtin ihre Aussage aufnahm, während Karlsson mit gerunzelter Stirn an der Wand lehnte. Anfangs konnte Frieda sich vor Ungeduld kaum beherrschen.
    »Warum sitzen wir hier herum?«, fragte sie. »Halten Sie die Sache denn nicht für ein ganz klein wenig dringend?«
    »Je schneller wir Ihre Aussage haben, desto schneller bekommen wir einen Durchsuchungsbefehl und können handeln.«
    »So viel Zeit haben wir nicht.«
    »Sie sind diejenige, die uns aufhält.«
    Frieda musste tief Luft holen, um nicht zu explodieren.
    »Also gut«, sagte sie so ruhig, wie sie nur konnte, »was wollen Sie von mir hören?«
    »Fassen Sie sich kurz«, antwortete Karlsson. »Es geht nur darum, dass der Richter uns den Durchsuchungsbefehl gibt. Also bitte keine Einzelheiten über Träume oder Fantasien oder was auch immer das war, was ihrem Patienten im Kopf herumspukte. Am besten, Sie erwähnen gar nichts davon.«
    »Sie meinen, ich soll nicht die Wahrheit sagen?«
    »Beschränken Sie sich einfach auf den Teil der Wahrheit, den wir für das Prozedere brauchen.« Er wandte sich mit fragender Miene an Yvette Long. »Bereit?« Lächelnd ließ die Beamtin ihren Kugelschreiber klicken. Frieda wusste sofort Bescheid. Verliebt in ihren Chef, dachte sie. Karlsson überlegte einen Moment. »Sagen Sie etwas in der Art: ›Während seiner Therapiesitzungen machte mein Patient Alan Dekker gewisse Bemerkungen, die darauf hindeuteten, dass sein Bruder Dean Reeve etwas zu tun haben könnte mit der Entführung von bla, bla, bla.‹«
    »Warum diktieren Sie es nicht einfach selbst?«
    »Wenn wir zu sehr ins Detail gehen, fängt der Richter womöglich an, unangenehme Fragen zu stellen. Falls wir den Jungen finden, spielt es hinterher keine Rolle mehr, ob der entscheidende Tipp vom Mann im Mond kam. Wir brauchen einfach nur den Durchsuchungsbefehl.«
    Während Frieda eine kurze Aussage machte, nickte Karlsson die meiste Zeit zustimmend. Nur hin und wieder konnte er sich einen Kommentar nicht verkneifen.
    »Das reicht«, sagte er schließlich.
    »Ich unterschreibe Ihnen alles«, erklärte Frieda, »Hauptsache, Sie tun etwas.«
    Yvette reichte ihr das Formular in zweifacher Ausfertigung. Frieda unterzeichnete beide Exemplare.
    »Was soll ich als Nächstes tun?«, fragte Frieda.
    »Sie können nach Hause gehen und tun, was Sie wollen.«
    »Und was machen Sie?«
    »Unsere Arbeit. Wir warten auf den Durchsuchungsbeschluss, der in ein, zwei Stunden eintreffen müsste.«
    »Kann ich denn nicht irgendwie helfen?«
    »Polizeiarbeit ist kein Zuschauersport.«
    »Das ist nicht fair«, entgegnete Frieda. »Schließlich haben Sie erst durch mich davon erfahren.«
    »Wenn Sie bei polizeilichen Ermittlungen mitwirken wollen, müssen Sie zur Polizei gehen.« Er riss sich am Riemen. »Entschuldigen Sie. Ich wollte nicht… Hören Sie, ich melde mich bei Ihnen und berichte über den Stand der Dinge, sobald es mir möglich ist. Mehr kann ich wirklich nicht tun.«
    Als sie wieder zu Hause war, kam Frieda sich vor wie ein Kind, das man fünf Minuten vor Ende des Films aus dem Kino gezerrt hatte. Zunächst tigerte sie nervös in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Die ganze Action spielte sich anderswo

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