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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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Karriereleiter hinaufsteige, pflege ich hauptsächlich Umgang mit Mördern, gewalttätigen Ehemännern, Perversen und Drogendealern. Was soll ich sagen? Damals schien es mir eine gute Idee zu sein.«
    »Aber Ihre Arbeit macht Ihnen doch Spaß.«
    »Spaß? Es ist nun mal mein Beruf, und die meiste Zeit bin ich darin sogar recht gut. Auch wenn es in diesem Fall nicht danach aussieht.«
    Offenbar fiel ihm gerade etwas ein, denn er griff in seine Tasche und zog zwei Aktenordner heraus. »Das sind die Aussagen von Rosalind Teale, der Schwester von Joanna Vine. Ihre ersten Aussagen hat sie gleich nach Joannas Verschwinden gemacht, und vor Kurzem haben wir sie ein weiteres Mal befragt.«

    »Ist dabei etwas herausgekommen, das Ihnen weiterhilft?«
    »Ich weiß, dass es Ihnen widerstrebt, aber es wäre mir sehr lieb, wenn Sie trotzdem mal einen Blick in die Protokolle werfen könnten.«
    »Wozu?«
    »Mich würde einfach interessieren, was Ihnen dazu einfällt.«
    »Sie meinen, jetzt gleich?«
    »Das wäre großartig.«
    Karlsson schenkte sich nach, verzichtete jedoch auf das Wasser. Dann stand er auf und wanderte im Raum umher, als befände er sich in einer Galerie. Frieda mochte es nicht, wenn ihr jemand beim Lesen zusah. Die Vorstellung, dass er womöglich gerade versuchte, anhand ihrer Habseligkeiten auf ihre Persönlichkeit zu schließen, gefiel ihr ebenso wenig. Am schnellsten aber konnte sie dem Ganzen ein Ende bereiten, indem sie die Aussagen las. Sie schlug zunächst den älteren Ordner auf und legte los, wobei sie sich bewusst dazu zwang, langsam zu lesen, Wort für Wort.
    »Haben Sie alle diese Bücher gelesen?«, fragte Karlsson.
    »Seien Sie still«, murmelte Frieda, ohne von der Akte aufzublicken. Als sie sich dann den zweiten, neueren Ordner vornahm, sah sie aus dem Augenwinkel, das Karlsson sie beobachtete. Schließlich klappte sie die Akte zu, ohne etwas zu sagen, obwohl sie genau wusste, dass er auf ihre Reaktion wartete.
    »Und?«, fragte er. »Wenn sie Ihre Patientin wäre, was würden Sie sie fragen?«
    »Wenn sie meine Patientin wäre, würde ich sie gar nichts fragen. Ich würde versuchen, ihr die Schuldgefühle wegen ihrer Schwester zu nehmen. Abgesehen davon bin ich der Meinung, man sollte sie in Ruhe lassen.«
    »Sie ist die einzige potenzielle Zeugin«, entgegnete Karlsson.
    »Aber sie hat doch nichts gesehen. Außerdem liegt das alles schon zwanzig Jahre zurück. Jedes Mal, wenn Sie mit ihr sprechen, reißen Sie die alten Wunden wieder auf.«

    Karlsson ließ sich gegenüber Frieda nieder. Nachdenklich betrachtete er sein Whiskyglas. »Das Zeug ist gut«, stellte er fest. »Wo haben sie es her?«
    »Jemand hat es mir geschenkt.«
    »Erzählen Sie mir etwas über die Aussagen«, forderte er sie auf. »Sie sind doch eine kluge Frau. Sehen Sie das nicht als Herausforderung ?«
    »Glauben Sie bloß nicht, dass Sie mich auf diese Weise ködern können«, entgegnete Frieda.
    »Ich will Sie gar nicht ködern. Ich befinde mich nur in einem Stadium, in dem ich für jede Anregung dankbar bin. Jeder, der über Dinge Bescheid weiß, von denen ich keine Ahnung habe, ist für mich von großem Interesse.«
    Frieda schwieg einen Moment. »Haben Sie schon mal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Joanna von einer Frau entführt worden sein könnte, und nicht von einem Mann?«
    Karlsson stellte sein Glas ganz behutsam auf den niedrigen Tisch neben seinem Sessel. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Das Mädchen ist so schnell verschwunden«, antwortete Frieda. »Rosie Vine hat ihre Schwester höchstens eine Minute aus den Augen gelassen. Offenbar gab es keine Aufregung, keinen Lärm – und das, obwohl das Mädchen keineswegs auf einer einsamen Straße gepackt und in einen Lieferwagen geworfen wurde. Ganz im Gegenteil, es handelte sich um eine belebte Geschäftsstraße, in der eine Menge Leute unterwegs waren. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ein kleines Mädchen mit einer Frau mitgeht. Sich von ihr vielleicht sogar an der Hand nehmen lässt.« Frieda malte sich die Szene aus. Sie stellte sich vor, wie das kleine Mädchen vertrauensvoll nach einer Frauenhand griff. Dann versuchte sie rasch, das Bild wieder aus ihrem Kopf zu verscheuchen.
    »Das ist sehr interessant«, sagte Karlsson.
    »Tun Sie nicht so gönnerhaft«, erwiderte Frieda. »Es ist keineswegs besonders interessant, sondern liegt auf der Hand. Sie
müssen diese Möglichkeit doch von Anfang an in Betracht gezogen haben.«
    »Der Gedanke ist uns in

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