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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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diejenigen, die sich am wenigsten von ihr unterscheiden, um es anders herum auszudrücken.«
    »Also gut.« Sie klickte ein Gesicht an, das schmalste, dann noch eines, und noch eines, bis schließlich sechs markiert waren. »Und jetzt?«
    »Klicken sie auf ›Beenden‹«, befahl Tom.
    Sie tat, wie ihr geheißen, woraufhin auf dem Bildschirm achtzehn neue Gesichter auftauchten.
    »Was sind das jetzt für welche?«, fragte Rose.
    »Sie wurden aus den sechs generiert, die Sie ausgewählt haben«, erklärte Tom. »Nun wählen Sie wieder sechs aus.«
    Sie wiederholte die ganze Prozedur, und als sie fertig war, ging das Spiel von vorne los, und dann noch einmal und noch einmal, immer wieder. Ab und zu schloss sie einen Moment die Augen. Frieda, die das Experiment über Roses Schulter hinweg verfolgte, konnte sehen, wie sich langsam etwas tat. Aus einer Schar von Fremden entwickelte sich eine Familiengruppe, deren Ähnlichkeit immer mehr hervortrat. Das Gesicht wurde schmaler, die Mandelform der Augen deutlicher. Nach zwölf Generationen wirkten die Gesichter nicht mehr wie entfernte Verwandte, sondern wie Geschwister, und nach zwei weiteren Generationen sahen sie nahezu identisch aus.
    »Entscheiden Sie sich für eines«, forderte Tom sie auf.
    »Sie sehen alle fast gleich aus.« Rose zögerte. Der Pfeil wanderte ein paarmal auf dem Bildschirm hin und her, bevor er auf einem der Gesichter landete. »Das ist es.«
    »Das ist das Gesicht, das Sie gesehen haben?«, fragte Frieda.
    »Ich habe es nicht gesehen . Es ist das Gesicht, das ich mir vorgestellt habe.«

    Karlsson kam herüber und schaute sich das Bild an. »Was ist mit den Haaren?«, fragte er.
    »Die konnte ich nicht sehen. Die Frau, die ich mir vorgestellt habe, trug ein Kopftuch.«
    »Tücher habe ich auch im Angebot.« Tom klickte ein Auswahlmenü an, woraufhin dasselbe Gesicht achtzehnmal mit jeweils unterschiedlich gebundenem oder drapiertem Tuch erschien. Rosie deutete auf ein Bild.
    »Trifft es das?«
    »Mehr oder weniger«, meinte Rose. »Doch, ja, ich finde, es sieht ihr sogar ziemlich ähnlich.«
    »Sehr gut, Rose«, sagte Frieda. »Sie haben das wirklich gut gemacht. Vielen Dank.«
    »Wie meinen Sie das? Was habe ich gut gemacht?«
    »Ich weiß, wie schwer es für Sie war, das alles noch einmal zu durchleben. Das hat Mut erfordert.«
    »Aber ich musste es doch gar nicht noch einmal durchleben. Ich habe mich an nichts erinnert, sondern mir nur ein Bild vorgestellt, und anschließend haben Sie versucht, es zu rekonstruieren. Das ist zwar clever, aber ich verstehe trotzdem nicht, inwiefern Ihnen das weiterhilft.«
    »Wir werden sehen. Dürfte ich Sie bitten, einen Moment lang draußen auf dem Gang Platz zu nehmen?«
    Karlsson wartete, bis Rose den Raum verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte. »Was sollte denn das?«
    »Trauen Sie Ihrem eigenen Gesichtserkennungssystem nicht?«
    »Ich meine nicht das Gesichtserkennungssystem. Ich habe Sie hinzugezogen, weil ich dachte, Sie könnten sie vielleicht hypnotisieren oder so was in der Art. Eine Nadel vor ihren Augen hin und her schwenken. Ich dachte, Sie könnten Ihr psychologisches Zeug zur Anwendung bringen und verschüttete Erinnerungen wachrufen. Stattdessen haben Sie sie nur dazu gebracht, sich irgendein Gesicht auszudenken.«
    »Ich habe vor Jahren mal ein bisschen in diese Richtung geforscht«,
erklärte Frieda. »Dabei habe ich mit Leuten gearbeitet, die blinde Flecken in ihrem Gesichtsfeld hatten. Wir haben ihnen eine Ansammlung von Punkten gezeigt, die genau im nicht funktionierenden Bereich ihres Gesichtsfeldes lagen. Obwohl sie die Punkte nicht sehen konnten, haben wir sie gebeten, Schätzungen hinsichtlich der Anzahl abzugeben. In den meisten Fällen haben sie richtig geraten. Die eingehende Information kam zwar nicht in ihrem Bewusstsein an, wurde aber trotzdem verarbeitet. Es hätte keinen Sinn gehabt, noch einmal die Dinge durchzugehen, an die Rose sich bewusst erinnern kann. Sie schlägt sich schon ihr ganzes Leben lang mit diesen Erinnerungen herum. Mittlerweile sind sie hoffnungslos verfälscht, selbst wenn Rose damals tatsächlich etwas gesehen haben sollte. Ich dachte mir, auf diese Weise könnte man das alles vielleicht umgehen.«
    Karlsson sah zu Tom Garret hinüber. »Wie denken Sie darüber? Das ist doch alles Schwachsinn, oder?«
    »Sie sprechen von unbewusster Wahrnehmung?«, wandte Tom sich an Frieda.
    »Genau.«
    »Schwachsinn«, wiederholte Karlsson, der offensichtlich

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