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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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ein Geheimtipp, besonders nicht tagsüber im Sommer. Doch der ist ja nun endlich vorbei.
    »Wie ist das eben bloß passiert?«, fragt Nils.
    Tja, wie? Als sie nach Hause kam, saß er vor dem kalten Kamin und wartete auf sie. Er wollte reden, also sind sie spazieren gegangen, was eigentlich immer funktioniert. Man sitzt sich nicht steif gegenüber, muss nichts bei aufdringlichen Kellnern bestellen, und wenn das Gespräch unangenehm wird, braucht man sich nicht zwingend in die Augen zu sehen. Sie sind doch nicht erst seit gestern getrennt, den platonischen Umgang miteinander also gewohnt, und sie hat sich sogleich für ihr Benehmen gegenüber Amanda entschuldigt. Beste Voraussetzungen also zum Reden. Woher soll sie wissen, warum sie stattdessen gevögelt haben? Sie hat jedenfalls nicht angefangen.
    »Was wolltest du mit mir besprechen?«, fragt sie.
    »Hat sich erledigt.«
    »Wie kann das angehen?«
    »Eigentlich wollte ich dir erzählen, wie glücklich ich mit Amanda bin.«
    Ein kleinerer Frachter passiert die Flusseinfahrt. Ein Feeder, der als Zulieferer für die riesigen Containerschiffe im Hamburger Hafen eingesetzt wird. Rund achthundert Container. Er fährt unter der Flagge einer Kehdinger Reederei, dessen Inhaber mit ihrem Vater Golf spielt. Oder besser: gespielt hat.
    »Und ich wollte dich bitten, Amanda zu akzeptieren und trotzdem meine Freundin zu bleiben. Also ... natürlich nicht auf diese Art.«
    »Ich akzeptiere deine Beziehung zu Amanda«, sagt Janne. »Du Biest.«
    Sie schauen einander an und lachen. Auf dem Rückweg gehensie Hand in Hand, und als sie ihm anbietet, die Nacht bei ihr zu verbringen, hat er nichts entgegenzuhalten.
     
    Eng umschlungen schlafen sie ein, ebenso wachen sie am späten Vormittag wieder auf. Es ist Wochenende. Janne holt Kaffee aus der Küche, den sie im Bett trinken, bevor sie erneut miteinander schlafen.
    »Jetzt ist es kein Versehen mehr«, stellt Nils fest.
    »Ich glaube ohnehin nicht an Sex aus Versehen.«
    Er küsst ihre Augenbrauen. »Amanda hat uns in Berlin unter unserer Laterne stehen sehen. Seitdem ist sie überzeugt, dass wir uns noch lieben.«
    »Liebe. Was mag das sein? Eine durchtanzte Nacht? Ein gemeinsames Leben? Wir an der Kugelbake? Papa im Zugabteil?«
    »Was sollen diese Anspielungen auf deinen Vater? Er hatte nicht allen Ernstes eine Affäre mit einer Zugbegleiterin, oder?«
    »Oh, doch. Leider.«
    Janne erzählt, was sie über Paul Fleckers Paarungsverhalten herausgefunden hat. Und wo sie gerade dabei sind, weiht sie Nils in das Geheimnis ihrer Zeugung ein.
    Er hört angestrengt und bestürzt zu, bemüht abzuschätzen, welche Reaktion sie von ihm erwartet. Das gefällt ihr nicht, dieses Auf-Nummer-sicher-Gehen, um ja nicht anzuecken. Sie kommt ihm zu Hilfe, indem sie mitteilt, dass sie in dieser Sache keinen Zuspruch brauche. Nicht mehr.
    »Glaubst du, deine Mutter weiß von den Seitensprüngen ihres Mannes?«
    Eine interessante Frage, die Janne nicht beantworten kann. Sie lässt sich ins Kissen sinken und legt die Hände auf ihr Brustbein, das sich kalt und weich anfühlt wie frisch gefallener Schnee. Sie mag die Vorstellung, aus Schnee zu bestehen.
    »Und wie hast du von diesen Dingen erfahren?«, fragt er weiter.
    »Recherche.«
    »Wozu? Ich meine, was hat dich dazu gebracht, herausfinden zu wollen, ob und mit wem dein Vater fremdgeht?«
    In Gedanken bastelt sie noch an einer Lüge, da wird das Bedürfnis, jemanden einzuweihen, so übermächtig, dass Janne nachgibt. Ihrem Vater wäre das nicht recht, hat er sie doch zum Stillschweigen verpflichtet. Aber da wusste er noch nichts von seinem bevorstehenden Absturz ins Koma und davon, wie einsam sie sein würde - ohne seinen Rat. Nach ihren Bekenntnissen flüchtet sie ins Bad, ohne Nils' Reaktion abzuwarten.
    Als Janne aus der Dusche kommt, wartet er in der Küche mit dem Frühstück auf sie. Er sieht nicht so aus, als hätte er vor, etwas zu essen. Der gedeckte Tisch ist nur Kulisse für das Gespräch, das er mit ihr führen will. Er steht auf und küsst sie auf die Wange. Ein ernster Kuss. Aus ihren gewaschenen Haaren tropft Wasser auf seinen beigefarbenen Kaschmirpullover. Janne öffnet den Kühlschrank und trinkt einen großen Schluck Orangensaft direkt aus dem Tetrapack. Sie hat Mühe zu schlucken, als hätte sie einen Krampf in der Kehle. Dann setzt sie sich auf den Stuhl, den er wie ein Oberkellner für sie zurechtrückt, und bestreicht ein Brötchen mit Butter und Pflaumenmus. Nils beobachtet sie

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