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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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mehrere Aspirintabletten und wartet ab, doch die Wirkung bleibt aus. Schließlich ruft sie Meinhard auf seinem Handy an und bettelt um Hilfe. Im Morgengrauen trifft er aus Hamburg ein und untersucht sie gründlich, dabei ist sein Blick noch melancholischer als sonst. Er reibt eine brennende Salbe auf ihre Stirn, gibt ihr eine Spritze, die sie müde macht, und verspricht, nicht von ihrer Seite zu weichen. Der Schmerz wird dumpfer und verschwindet bald darauf ganz. Als sie langsam einschläft, hält Meinhardihre Hand. Bruderhand. Fast fühlt es sich an, als würde Erik an ihrem Bett wachen.
     
    »Was war das für ein Reiter?«, fragt Meinhard am Mittag. Nachdem Janne aufgewacht ist, hat er ihr Tee und Zwieback gebracht, jetzt sitzt er auf ihrer Bettkante und betrachtet sie besorgt. Janne streicht über seine Wange. Er ist frisch rasiert, seine Haut fühlt sich angenehm kühl an und glatt wie Wachs. »Danke, dass du gekommen bist. Es geht mir schon viel besser.«
    »Gern geschehen. Janne, ich habe dich etwas gefragt.«
    Sie antwortet ausweichend.
    »Willst du Anzeige erstatten?«, bohrt er nach.
    Sie schüttelt den Kopf. »Es war sicher keine Absicht. Vielleicht ein Jugendlicher, der fürs Duhner Wattrennen trainiert und vor lauter Eifer nicht einmal bemerkt hat, was passiert ist.«
    »Der sollte aus dem Verkehr gezogen werden.« Meinhard steht auf und massiert sich den Nacken. Er arbeitet zu viel. Das war nie anders. Auch eine Möglichkeit, sich durchs Leben zu mogeln. Gemeinnütziger als das Spaßprinzip, dem sie sich in Berlin verschrieben hatte, aber nichtsdestoweniger eine Mogelei.
    »Kannst du definitiv keine genauere Beschreibung geben?«, will er wissen.
    »Nein.«
    »Vermutlich hast du recht, und die Sache ist harmlos. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Ich könnte die Reitställe in der Gegend anrufen und versuchen herauszufinden, wer gestern im Watt unterwegs war.«
    »Keine schlechte Idee. Aber das kann ich auch selbst machen«, sagt Janne und befühlt vorsichtig ihre Stirn. Harter Schorf. Sie muss furchtbar aussehen.
    »Lass die Wunde lieber in Ruhe. Ich würde dir die Nachforschungen gern abnehmen, Janne.«
    »Danke, nicht nötig. Fahr besser zurück nach Hamburg.«
    Sie diskutieren ohne Ergebnis, wobei Meinhard versucht, seine Besorgnis zu verbergen, was kaum gelingt. Dazu ist er viel zu nervös, zupft ständig an ihrem Laken herum, verschüttet Tee. Janne verbringt den Rest des Tages im Bett, obwohl sich ihr Körper schnell erholt. Was sie schwächt, ist die Gewissheit, einen Feind zu haben, ins Visier geraten zu sein. Das trifft sie wie eine schlimme Diagnose, ein seltenes Virus, um dessen Existenz sie gewusst hat, ohne zu befürchten, sich anzustecken. Jetzt hat es sie doch erwischt.
     
    In ihrer Distanzlosigkeit schreckt Marit nicht davor zurück, Jannes Verletzung eingehend zu inspizieren und eine Frage nach der anderen zu stellen. Janne schweigt hartnäckig. Sie sitzen in der Krankenhaus-Cafeteria und trinken Cola aus Flaschen.
    »Kann es sein, dass du in Schwierigkeiten steckst?« Marit kaut an ihrem Strohhalm.
    Janne versucht, das Thema zu wechseln. »Du hast einen Verehrer, hast du das schon mitbekommen?«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich bin oft genug hier. Willst du was von ihm?«
    »Nein, eher nicht. Ich habe einen Dachschaden, was Männer angeht.« Marit bleibt hartnäckig. »Sag mal, Janne, willst du dich nicht irgendjemandem anvertrauen? Das muss ja nicht ich sein. Du hast doch bestimmt Freunde.«
    Sie denkt an die vielen Telefonnummern, die in ihrem Handy gespeichert sind, eine unerschöpfliche Schar von Statisten. Sie könnte am Abend in Berlin eine Party schmeißen und würde aus dem Stand hundert Leute zusammenbekommen, über die sie im Prinzip kaum etwas weiß - außer was sie am liebsten trinken und essen und welche Musik sie bevorzugen. »Ich habe einen Dachschaden, was Freunde angeht«, antwortet sie. »Mein Vater nennt das mangelnde Hingabe. Ich ziehe den Begriff Kontrolle vor.«
    »Du hast Verlustängste. Deswegen gehst du so sparsam mit deinen Gefühlen um«, diagnostiziert Marit.
    »Exakt. Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Jetzt sind nur noch ein Bruder, meine Mutter und mein Exfreund übrig, und bei meinem Glück machen die es sicherlich auch nicht mehr lange. Danach werde ich eine Insel sein.«
    Die Cola schäumt in ihrem Mund und steigt ihr in die Nase, was ein Feuerwerk an Kindheitserinnerungen zündet. Der Schorf auf ihrer Stirn juckt, während in den tiefer

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