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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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weißt du das? Der spielt auch gern den einsamen Wolf.« Anscheinend ein Kompliment - er strahlt sie an, als wäre es jetzt an ihr, ebenfalls etwas Nettes zu sagen.
    »Ich spiele nicht gern den einsamen Wolf, ich bin da so hineingeschlittert«, brummt sie.
    »Worein genau?«
    Sie erzählt es ihm. Ausführlich. Der Spirituosenhändler namens Oldenburg lauscht mit halb geschlossenen Augen, als wäre er kurz davor einzuschlafen. Als sie fertig ist, sagt er: »Konzentrier dich auf Birger Harms.«
    Nein. Nicht Birger. Ausgeschlossen. Das darf nicht sein. Birger ist ihr Freund, derjenige, der für die Fleckers alles tun würde, das hat sogar Laurens Jörgensen gesagt. Der Einzige, bei dem sie Trost finden konnte nach Eriks Tod. Sie braucht Birger.
    »Wieso?« Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern.
    »Weil er ein Spieler ist. Keiner, der seine Zeit nach Feierabend am Daddelautomaten vergeudet. Ein echter Zocker. Black Jack, Poker, illegales Glücksspiel. Irgendwann hatte er wegen hoher Spielschulden ziemlichen Ärger an der Backe, da hat Paul ihm geholfen. Natürlich nicht aus Nächstenliebe, sondern weil er einen Konstrukteur brauchte. Von da an hat er Birger quasi als Leibeigenen betrachtet. Soweit ich weiß, hat dein Vater ihm fast kein Gehalt gezahlt, damit er bloß nicht wieder zocken geht.«
    »Vielleicht war Birger damit einverstanden, weil er von seiner Sucht loskommen wollte.«
    Oldenburg lacht. »Möglich ist das. Vielleicht hasst er deinen Vater aber auch. Und nicht nur ihn - eure gesamte Sippe. Schon allein wegen seines Bruders.«
    Janne starrt auf die graue Betonwand, bis die Strukturen und Unregelmäßigkeiten vor ihren Augen verschwimmen. »Was soll das jetzt wieder heißen?«, fragt sie mit einem Seufzer.
    Genüsslich breitet er eine weitere Episode aus dem Leben ihres Vaters aus. Diesmal geht es um Schmuggelgeschäfte mit Zigaretten in den fünfziger Jahren, an denen neben ihm und Paul Flecker auch Birgers Bruder Flemming und Oskar Sayer beteiligt waren. Die Ware kam aus Helgoland.
    »Jeder hat damals geschmuggelt: die Fischer, die Urlauber, selbst die Zöllner. Naja, aber wir haben es übertrieben. Die Gier. Einer von uns wurde gefasst und verurteilt: Flemming Harms. Er hat niemanden verpfiffen, obwohl es ihm die Kapitänslaufbahn versaut hat. Aber Birger hat deswegen im Blaufeuer hin und wieder Streit angefangen, Jahre später noch ... Tja, die Familienehre.«
    »Ich glaube trotzdem nicht, dass er Erik ermordet hat«, sagt Janne. »Und ganz bestimmt ist er nicht derjenige, der mich verfolgt.«
    Oldenburg zuckt mit den Schultern. »Wie du meinst. Kann genauso gut sein, dass Eriks Frau die Mörderin ist. Das glauben hier übrigens die meisten.«
    »Und wer ist hinter mir her?«
    Erneutes Schulterzucken. »Jemand ganz anderes, den deine Recherchen aus der Reserve gelockt haben. Paul hat früher haufenweise krumme Dinger gedreht. Wenn du alle Leute ausfindig machen willst, denen er dabei auf die Füße getreten ist, hast du dir viel vorgenommen. Und was dann? Ich sag dir was, Mädchen: Geh zur Polizei, die Sache ist dir über den Kopf gewachsen. Die werden deinen Alten schon nicht wegen irgendwelcher Gaunereien aus dem letzten Jahrtausend einbuchten. Schon gar nicht in seinem Zustand.«
    Damit ist alles gesagt.
    Auf dem Weg ins Freie treffen sie Ewald Hansen. Der Mahner hat neue Zuhörer gefunden, zwei junge Männer, die zackig grüßen. Als er Janne erkennt, wirkt er überrascht und ein wenig beleidigt, weil sie den Gesprächspartner gewechselt hat.
    Draußen reicht sie dem Spirituosenhändler zum Abschied die Hand. Sie stehen am Falm, dem innerstädtischen Klippenrand, und schauen über die Dächer des Unterlands. Dahinter liegt der Hafen. Es dämmert, aber der Tag hat noch Glanz. Auf dem Leuchtturm dreht sich das Signalfeuer. Blaue Stunde.
    »Ist das nicht traumhaft?«, fragt Oldenburg und atmet tief durch. »Das gibt einen Sternenhimmel heute Nacht, den kriegst du sonst nirgendwo in Deutschland zu sehen.«
    Janne schluckt. Sie empfindet die friedliche Abendstimmung eher als Hohn denn als Geschenk. »Eine letzte Frage noch: Sind Sie nun Klaas Tegtmeyer oder nicht?«
    Oldenburg lacht. Allmählich gewöhnt sich Janne daran. »Glaubst du allen Ernstes, ich wäre so abgebrüht, unter falschem Namen auf meine Heimatinsel zurückzukehren, wenn ich Klaas Tegtmeyer wäre?«, antwortet er.
    »Ja, das glaube ich.«
     
     
     
    PAUL
    Dann lieber tot. Der Gedanke erschüttert ihn. Wie ein Moskito kam er

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