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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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treffen solltest – gib ihm ein Bier aus mit einem schönen Gruß von mir und sag danke, dass er deine Laune wiederhergestellt hat. Und jetzt werd ich aufbrechen, Gloßner. Soll ich dich mitnehmen bis zum Wildgehege? Von da aus bist du ja schnell wieder unten in deiner Zollstation.«
    »Lass gut sein, Frau Halbritter.«
    »Für Sie immer noch Kascha.«
    »Lassen Sie’s gut sein, Kascha. Ich geh jetzt erst einmal einkaufen.«
    »Und wie kommst du nach Haus?«
    »Irgendeiner nimmt mich schon mit. Und du musst jetzt da vorfahren, links abbiegen Richtung Eslarn und immer der Beschilderung zur Autobahn nach.«
    »Danke, Gloßner.«
    »Gern, Kascha.«
    »Ja, dann.«
    »Vielleicht bis nächste Woche.«
    »Vielleicht.«
    »Würd mich freuen.«
    »Dann drück mir die Daumen! Tschau!«
    Die Autotür wird zugeschlagen, und Frau Halbritter lässt einen Gloßner zurück, der sich plötzlich in seinem Schönseer Mikrokosmos merkwürdig allein fühlt.
     
    *
     
    Ein Gesicht glotzt ihn an. Weit aufgerissen die Augen. Langsam wehen die Haare im Wasser.
    »Herr Gerlach!«
    Zu dem Gesicht hinter der Scheibe gehört ein Arm. An dem Arm ist eine Hand, die ihn an der Schulter fasst.
    »Herr Gerlach!«
    Lass mich los! Wie kann dieser Mund noch reden?
    Die Hand schlägt Wellen, die Wellen sind blubberndes Echo.
    Gerlach – lach – lach – lach!
    Jetzt rühr dich doch, du Trottel! Oder willst du untergehen?
    – ach – ach – ach –
    Die Beine rudern und suchen den Boden.
    Hör doch, wie mein Cello singt!
    Mit den Frauen kannst du noch früh genug anfangen. Wenn du glaubst, dass sich eine von Gerlachhänden anfassen lässt.
    Ihr Mund kräuselt sich zu bitterem Spott. Er hasst es, wenn die Mutter ihn Gerlach nennt.
    »Herr Gerlach!«
    Die helle Stimme kommt von oben. Die Räbin ist wieder da! Torkelnde Schleifen zieht sie durch den roten Himmel. Setzt sich auf einen dürren Ast und starrt ihn an. Wetzt ihren Schnabel zum Messer. Flattert auf und stürzt sich hinab.
    Gerlach rennt in sein Zimmer und wirft die Tür hinter sich zu.
    Beweis mir lieber, dass du genauso gut werden kannst, wie ich damals war – als ich aufhören musste, weil ich so dumm war, mich von deinem Erzeuger schwängern zu lassen.
    Die Mutter schlägt ihm ins Gesicht.
    Glaubst du, ich kann mir nicht denken, was du machst, wenn ich aus deinem Zimmer keine Musik höre? Und dann fasst du das Cello wieder mit diesen Händen an? Du spielst auf meinem Cello, ist dir das klar?
    Sie zieht ein Etüdenheft aus dem Regal.
    Von diesen Händen will ich keinen Bach hören!
    Das Cello biegt sich in seinen Händen und wackelt mit dem Hintern. Seine Hände sind verflucht. Wenn sie das Cello berühren, wird es eine nackte Frau. Der Bogen ist scharf wie ein Säbel. Er könnte ihr damit den Kopf abschlagen, wenn er wollte. Und er will. Wie heißt du? fragt er in das Gesicht der jungen Frau. Zweihundert Mark hat sie dafür genommen, dass sie sich von Gerlachhänden anfassen lässt. Sein Blick gleitet abwärts über den Leib, in den er sich vor einer Minute ergossen hat. Sie lacht ihn aus.
    »Herr Gerlach, wissen Sie, wo Sie sind?«
    Sie weiß immer, wo er ist. Dort, wo die Frauentormauer in die Färberstraße mündet, lauert sie. Wird die Welt nie wieder dunkel?
    Das also machst du mit dem Geld, das du dir auf meinem Cello erspielst.
    Wäre er andersherum gegangen, so hätte sie ihn an der Ludwigstraße erwartet. Oder an der Ottostraße. Alle Frauen haben diese Öffnung zwischen den Beinen. Von dort entsprangen die schwarzen Hunde, die sie auf mich hetzte. Das ist der Weg in die Welt, und ich kam nicht hindurch. Sie wäre zerrissen, und ich wäre erstickt. Bin ich denn schuld, dass ich zu groß wurde in dir?
    Und immer diese Hände um seinen Hals! Warum lässt sie ihn nicht los? Er stößt sie hinab in den Schlund voll glühender Lava.
    Rot heiß rot heiß rot.
    Er reißt die Augen auf und blinzelt schwer atmend in die helle Welt. Schon wieder ein Gesicht. Eine Frau. Er kennt sie nicht.
    »Herr Gerlach, können Sie mich hören? Verstehen Sie mich?«
    Das Gesicht ist ganz nah, die Stimme weit entfernt.
    »Haben Sie Schmerzen?«
    Nein, will Gerlach sagen. Sein Mund krächzt, seine Zunge lallt. Er will den Kopf schütteln. Da erst spürt er den summenden Schmerz darin.
    »Trinken Sie. Hier ist Wasser.«
    Der Rand einer Tasse berührt seine Lippen.
    Gerlach trinkt und verzieht das Gesicht. Seine Kehle ist eng. Das Wasser versickert darin wie in Wüstensand.
    »Mein Kopf«, sagt er

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