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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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aufzulösen, getrennte Bereiche zu schaffen und einem bislang ungenutzten Raum im Keller eine neue Funktion zuzuweisen.
    »Wer darin schläft, ob du oder ich, ist mir egal. Aber wenn du dort Quartier beziehen würdest, hättest du deinen Fitnessraum gleich nebenan. Da kannst du dann auch ungestört über deine ›Fälle‹ nachdenken.«
    Darauf hatte er geantwortet: »Dann kommt ihr morgen wohl auch nicht mit zum Marathon nach Wegberg?« Eine dumme Frage, eine Frage, die ihm schon dumm vorkam, als sie noch nicht einmal ausgesprochen war, aber etwas anderes war ihm nicht eingefallen.
    »Nein«, hatte Monika erklärt, »wir fahren nicht mit zu deinem Marathon nach Wegberg. Und wir werden auch zu keinem anderen Marathonlauf mehr mitfahren. Gestern war übrigens Schulkonzert. Alexandra hatte einen Solopart. Sie hat es schön gemacht. Hinterher hat sie gefragt: ›Glaubst du, dem Papa hätte es gefallen, wie ich gespielt hab?‹ Ich habe nicht gewusst, was ich unserer Tochter darauf antworten soll.«
    Musik, Musik! Musik war für Kalz das, was er »schön« finden sollte, wenn ihm die neunjährige Alexandra ein neues Stück auf der Geige vorspielte, oder wenn er einmal im Vierteljahr mit Monika in die Meistersingerhalle ging. Sie lebten verschiedene Leben. Wie lange schon?
    »Wo sind die Kinder?« hatte er gefragt, und er hörte sich dabei selbst, als würde ein Fremder sprechen, als hätte ein anderer nach jemandem gefragt, den er nicht kennt. Und er hatte die Stimme seiner Frau durch einen Nebel gehört wie die Stimme einer Fremden, die auf eine Frage antwortet, die ein anderer gestellt hat.
    »Alexandra übernachtet heute bei Julia. Eine Freundin von ihr, die in unserer Straße wohnt. Das Mädchen von den Kliers im Eckhaus, wenn du’s genau wissen willst. Und Simone schläft schon.«
    Das Fremde hatte nicht aufgehört ihn zu umgeben wie ein stickig enger Kokon. Nicht in der Nacht, die er im Keller in unmittelbarer Nachbarschaft von Sauna und Kraftgeräten verbrachte, nicht in der Küche, wo er am Morgen noch einmal erfolglos versucht hatte, diesen Kokon zu durchbrechen – seinen eigenen und den seiner Frau. Die Enge war erstickend, aber er fühlte sich zu windig, um das Fahrrad zu nehmen, und hatte sich für den Wagen entschieden. Ein Auto, eine Zelle, ein Panzer, an dem die Außenwelt abprallt.
     
    Was bisher alles war
    das ist Vergangenheit
    ich weine ihr nicht nach
    jetzt kommt die neue Zeit
     
    Es ist zum Kotzen, was die Privaten für eine Musik spielen – oder ist das ein öffentlich-rechtlicher Sender? Ist sowieso kaum noch zu unterscheiden.
     
    Der Sehnsucht tief in mir
    lass ich jetzt freien Lauf
    Was sowieso nichts bringt
    Das geb ich alles auf
    Zieh drunter einen Strich
    Und jetzt komm ich
     
    Da hatte sich nichts mehr zurechtbügeln lassen. Als er sagte »Schatz, wenn dieser Fall abgeschlossen ist, hab ich wieder mehr Zeit«, kamen ihm die Worte selber abgedroschen vor, und auch die Variante »Ich werd beim Laufen über alles nachdenken. Das macht mir den Kopf wieder frei« hatte ihn nicht überzeugt. Sie natürlich erst recht nicht.
    Sie hatten sich vor einer Ewigkeit beim Joggen kennengelernt. Im herbstlichen Stadtpark. Irgendwann hatten sie zu ihrer beiderseitigen Überraschung entdeckt, dass sie in benachbarten Häusern wohnten und einander von ihren Balkonen aus sehen konnten. Warum waren sie niemals zur gleichen Zeit auf dem Balkon gewesen?
    Wenn dieser Opelfahrer vor ihm nicht so lahmarschig wäre, hätte er die Kreuzung gerade noch passieren können. Fahren denn heute alle wie Idioten?
     
    Heute fang ich
    neu zu leben an
    Ich beweis mir
    dass ich fliegen kann.
     
    Kalz schaltet aus und starrt die rote Ampel an. Dabei kommt ihm wieder die Simaková in den Kopf.
    Die Simaková, diese Nervensäge – unter deren T-Shirt sich phantastische Brüste abgezeichnet hatten. Und was für Augen die hatte. Die blonde blauäugige Simaková, dieses tschechische Luder. Dieser  devil in disguise.  Ob die verheiratet war? Oder einen Typen hatte? Er wusste es nicht und dachte nicht darüber nach, warum er es nicht wusste. Aber es wäre merkwürdig, fand er, wenn sie solo wäre. Letzte Nacht auf seinem improvisierten Lager hatte er sich einen runterholen müssen, um einschlafen zu können. Ivana trug nichts außer ihrer Uniformmütze und ihrer Uniformbluse, war über ihren Schreibtisch gebeugt, und er fickte sie von hinten. Danach war ihm elend und jetzt geht ihm dieser verdammte Weiberschlager nicht mehr aus

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