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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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Methode, denn die Kovács zieht nur kurz die Augenbrauen hoch und führt sie dann nicht nur durch den marmorglatten Eingangsflur und durch die hohe Rauchglastür mit vergoldeten Messingbeschlägen, sondern sogar durch das Wohnzimmer im Dallas- oder Denverschick bis ins Allerheiligste. Am Küchentresen lehnt ein Mann im Golfdress, bei dem es sich wohl um Gerhard Kovács, Sandras Stiefvater handelt, ein hochgewachsener, trotzdem plump wirkender Mann mit schwammigen Konturen und einem brutalen Zug um den Mund. Er hält es nicht einmal für nötig, die Wochenendausgabe der Zeitung beiseitezulegen, als die Frauen eintreten, stattdessen macht er sofort klar:
    »Wenn Sie wegen dieser Schlampe kommen, können Sie gleich wieder gehen. Wir wollen mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun haben.«
    Sonst nichts. Kein »Guten Tag«, kein »Grüß Gott«, nicht einmal ein Anflug von Verbindlichkeit. Zoe ist kurz vorm Explodieren, vor allem, weil sie weiß, dass sie von der Staatsanwaltschaft in diesem Fall keine Rückendeckung zu erwarten hat – nur, das wissen die Kovács nicht.
    »Herr Kovács, es geht hier nicht nur um den Angriff Ihrer Tochter auf ihren ehemaligen Musiklehrer, sondern auch um Drogen, um sehr gefährliche Drogen, und auch darin ist Sandra verwickelt«, pokert sie deshalb, »und wenn es Ihnen nicht passt, dass Frau Dr. Halbritter und ich uns Sandras Sachen einmal anschauen, hole ich mir innerhalb kürzester Zeit einen richterlichen Beschluss, und ich garantiere Ihnen, dass die Kollegen vom Einsatzteam Ihr Haus derartig auf den Kopf stellen, dass Sie nicht einmal mehr Ihre Golfschläger finden. Ist Ihnen das lieber? Sie haben die freie Wahl!«
    Nun ist es Kovács, der aussieht, als würde er gleich explodieren, sein Gesicht hat sich wutrot verfärbt, an den Schläfen zeichnen sich dicke blaue Adern ab und die Muskeln seines Unterkiefers treten plötzlich trotz des schwabbeligen Gesichts klar und deutlich sichtbar hervor. Trotzdem meint Zoe in seinem Blick ein gewisses ängstliches Erstaunen zu erkennen und weiß, dass sie gewonnen hat. Typen wie dieser Kovács haben ihre Freude daran, Schwächere zu schikanieren, kommt man ihnen aber mit einer Breitseite, kuschen sie, weil sie im Grunde jämmerliche Feiglinge sind. Aus genau solchen Typen besteht die Stammkundschaft bei Jana und Cleo und all den anderen Frauen, die professionell in der SM-Szene unterwegs sind.
    »Was meinen Sie mit ›Sandras Sachen anschauen‹?« mischt sich Frau Kovács ein. Ihr Blick ist dabei auf Kascha gerichtet, und es liegt jetzt etwas ganz anderes darin als kalte Überheblichkeit, etwas, das schwer zu deuten ist und an eine sehr lang gelebte und furchtbar erschöpfte Angst erinnert.
    »Wir würden uns gerne das Zimmer Ihrer Tochter anschauen, vielleicht finden wir dort etwas, das uns weiterbringt«, entgegnet Kascha sehr ruhig.
    »Das Miststück hat hier kein …«, setzt Gerhard Kovács an, wird aber von seiner Frau unterbrochen.
    »Wir haben Sandras Zimmer aufgelöst. Ihre Sachen stehen in Kisten auf dem Dachboden, ich zeige sie Ihnen, kommen Sie.«
     
    *
     
    Man mag es kaum glauben, aber Frau Kovács hatte tatsächlich ausnahmsweise auf ihre samstägliche Tennisstunde verzichtet, sodass Kascha und Zoe ausreichend Zeit blieb, in den Kisten mit Sandras Sachen nach etwas Brauchbarem zu stöbern. Keine von beiden wusste, wonach sie eigentlich suchen sollte zwischen den Überresten des früheren Lebens einer jungen Frau, das diese abgestreift hatte wie eine schwarze Libelle ihre Larvenhaut.
    Puppen und Stofftiere erzählten von einer ganz normalen Kindheit, genauso wie eine in Plastikplanen verpackte Puppenstube und eine Kiste mit Barbiezubehör. Kleider, Modeschmuck, Haarspangen, ein Schminktäschchen und ein silbernes, mit türkisfarbenen Steinen verziertes Feuerzeugfutteral gaben Zeugnis über das Erwachen der Frau in dem Kind. Zeugnismappen, Schulhefte, dazwischen Briefe, angefangene und wieder abgebrochene Tagebücher, Notizzettel und Kladden mit Gedichten – eigene? gesammelte? – und immer wieder Noten, Noten, Noten. Verschiedene klassische Komponisten fanden sich in den Stapeln, aber auch Moderneres, sogar Jazz, einige Computerausdrucke waren mit Moritz Rißmann überschrieben. Auffällig jedoch war die Dominanz von Johann Sebastian Bach und auch, dass viele dieser Notenblätter mit einer persönlichen Widmung versehen waren: »Den Meister für die Meisterschülerin«, »Erwecke den Göttlichen zum Leben!« oder auch nur

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