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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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»Für Sandra mit den goldenen Händen«. Gezeichnet waren sie allesamt mit »dein Wolfgang«, und weder für Kascha noch für Zoe bestand der geringste Zweifel, dass es sich bei diesem Wolfgang um Wolfgang Gerlach handelte. Sie hatten von Barbara Kovács erfahren, dass das Verhältnis zwischen Sandra und ihrem Musiklehrer sehr intensiv gewesen sei, er hatte sie offenbar für eine Hochbegabte gehalten, aber die dumme Göre habe ja alles in die Mülltonne treten müssen. Pech für sie.
    Und dann war ihnen noch ein Fotoalbum in die Hände gefallen: Sandra mit ihrem ersten Cello, Sandra mit Freunden an einem See, Sandra bei der Chorprobe. Es gab auch Bilder, die Sandra mit Wolfgang Gerlach zeigten – auf den meisten war sein Gesicht mit einem spitzen Gegenstand oder einem Kugelschreiber verunstaltet worden, Sandras Mutter konnte sich nicht erklären, warum. Sie hatte nie etwas von Problemen mitbekommen – wahrscheinlich hatte Sandra nie etwas erzählt, war es Zoe dabei durch den Kopf geschossen, und selbst wenn, hätte es diese Mutter mit Sicherheit nicht sonderlich interessiert. Wenigstens hatte sie nichts dagegen gehabt, dass Zoe einige von Sandras persönlichen Dingen mitnehmen wollte – gibt schließlich Platz auf dem Speicher, wenn endlich wieder was von diesem Mist verschwindet.
    Die eisigkalte Ausstrahlung von Sandras ehemaligem Zuhause wirkt noch nach, als Kascha versucht, ihren auberginefarbenen Fiat in eine winzige Parklücke in der Kernstraße zu manövrieren, und das trotz der mörderischen Hitze, die die Stadt schon wieder fest in den Klauen hält wie ein Raubtier seine wehrlose Beute. Für das Wochenende sind Hitzegewitter angekündigt, aber noch zeigt sich kein einziges Wölkchen am Himmel, dafür ist die Luft zum Schneiden dick und jeder Schritt wird zur Tortur.
    In der Gostenhofer Buchhandlung ist es längst nicht so stickig heiß wie draußen, trotzdem stehen der sommersprossigen jungen Frau hinter dem Kassentresen feine Schweißtröpfchen auf der Stirn. Heike Harms ist heute allein im Buchgeschäft, sie erkennt Zoe sofort wieder, begrüßt sie freundlich und reicht ihr einen Zettel.
    »Praktisch, dann muss ich Sie nicht anrufen. Ein ehemaliger Klassenkamerad hat gemeint, dass Fabian zur Zeit hier wohnt.«
    Bis auf eine Kundin, die in dem Regal mit Reiseliteratur stöbert, ist der Laden leer. Sommer ist keine gute Zeit für Buchhandlungen, schon gar nicht, wenn auch noch König Fußball das Zepter in Händen hält. Zoe stellt Kascha lediglich als Gutachterin vor, die für die Ermittlungen in diesem Fall von der Kripo hinzugezogen wurde.
    »Wie geht es Sandra?« will Heike als erstes wissen und ist erleichtert, als Kascha ihr versichert, angesichts der Umstände gehe es ihr gut – eine sanfte Übertreibung, zugegeben, aber was würde es schon nützen, die junge Frau unnötig zu beunruhigen. Außerdem geht es nur am Rande um Sandra, interessanter ist die Frage, auf welche Weise Gerlach mit Moritz Rißmann umgegangen ist, laut Heikes Aussage soll er ihn ja auf dem Kieker gehabt und sogar schikaniert haben.
    »Das stimmt doch, Frau Harms, oder?« Heike nickt. Die Kundin hat in der Abteilung für Reiselektüre offenbar nicht das Passende gefunden und verlässt den Laden grußlos – starke Hitze lähmt den Sinn für Höflichkeit.
    »Können Sie uns ein Beispiel geben, auf welche Weise Herr Gerlach Moritz schikaniert hat?«
    Heike zwirbelt eine Strähne ihres hellblonden Haars zu einem Würstchen und schaut angestrengt auf die elektronische Kasse.
    »Da gab es so viel«, sagt sie schließlich, »angefangen hat es damit, dass Moritz nicht mehr auf dem Bösendorfer üben durfte, weil sein Anschlag dem Instrument angeblich nicht guttut. Aber das war vollkommener Quatsch, das hat dann sogar der Direktor eingesehen.«
    »Er durfte also wieder auf dem Flügel üben?« will Zoe wissen.
    »Offiziell ja, aber Gerlach hat dann dafür gesorgt, dass Rizzo nicht mehr in den Raum konnte, in dem der Steinway steht, indem er jedes Mal behauptet hat, dass schon ein anderer Schüler daran übt, auch, wenn das überhaupt nicht gestimmt hat – es war einfach nur Bosheit, aber er hat nun mal den Schlüssel für den Raum gehabt. Dann hat er uns verboten, mit unserer Band in der Schule zu üben, weil das, was Moritz komponiert hat, angeblich keine Musik war, dabei waren wir richtig gut. Und dann hat er ihn auch noch aus dem Bachensemble ausgeschlossen, wegen nichts! Moritz ist nur ein einziges Mal zu spät gekommen, und das,

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