Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
Vom Netzwerk:
wo die beiden waren, hatte im Gegenteil selbst schon vergeblich versucht, ihre Freundin ans Telefon zu bekommen und war ebenfalls in Sorge.
    »Wie lange hast du probiert, deine Schwester zu erreichen?«
    »Bis Sonntagabend«, antwortet das Mädchen tonlos, »bis unsere Eltern wiedergekommen sind.«
    »Hat sich Sandra denn sonst immer bei dir gemeldet, wenn sie mal nicht nach Haus gekommen ist?«
    »Immer. Damit ich nicht so Angst hab.«
    »Und an die Polizei wolltest du dich nicht wenden?«
    Leonie schüttelt energisch den Kopf, schweigt aber beharrlich, als Zoe wissen will, warum sie nicht bei der Polizei angerufen hat.
    »Hast du gedacht, du könntest deine Schwester in Schwierigkeiten bringen?«
    »Hm.«
    Leonie scheint vollkommen auf den Strohhalm konzentriert zu sein, mit dem sie Muster in die Sahnereste auf der Innenwand ihres Eisschokoladenglases kratzt.
    »Und als eure Eltern wieder da waren, hast du denen dann erzählt, dass Sandra schon seit drei Tagen weg war?«
    »Nein, das konnte ich doch nicht. Wenn sie wiedergekommen wäre, hätte unser Stiefvater sie doch wieder ganz fürchterlich verprügelt – sie, oder Mama!«
    Wenn Mattusch und Dr. Billmeier gerade in Zwickmühlen stecken, denkt Zoe, wie muss man dann das seelische Foltergerät nennen, in das Leonie an jenem Wochenende vor drei Jahren gespannt war, hin- und hergerissen zwischen Sorge und Loyalität. Sie hätte um nichts in der Welt in ihrer Haut stecken mögen, aber sie weiß auch, dass sie jetzt nicht weich werden darf, wenn sie aus dem Mädchen noch etwas herausholen will, was für den aktuellen Fall von Bedeutung sein könnte.
    »O.k. Also hast du dich an dem Sonntagabend im Juni vor drei Jahren damit abgefunden, dass deine Schwester verschwunden ist und dass du womöglich nie wieder von ihr hören wirst. Und selbstverständlich hast du seither auch nie versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen.«
    »Nein! So war’s nicht!«
    »Wie war es denn dann?«
    Leonie setzt zu einer Antwort an, bricht wieder ab, und Zoe beginnt ernsthaft daran zu zweifeln, ob es eine gute Idee war, das Präsidium zu verlassen. Manchmal können Worte nicht fallen, weil sie Angst haben vor der Stille, in die sie geschickt werden wie auf einen weiten, menschenleeren Platz. Und manchmal, weil die Kulisse, die die Welt produziert, das eindeutige Signal gibt, dass sie jetzt nicht erwünscht sind.
    »Ist es dir hier zu laut? Wir können wieder in mein Büro zurückgehen.«
    »Nein. Das ist es nicht.«
    Sie stützt den Kopf in beide Hände und starrt durch die Tischplatte hindurch.
    Zoe senkt ihre Stimme. »Falls du glauben solltest, irgendwas von dem, was du zu sagen hast, könnte deine Schwester in Schwierigkeiten bringen – darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Dass sie schon seit einiger Zeit Drogen nimmt, wissen wir sowieso.«
    »Sie werden bloß denken, ich spinne. Oder dass sie spinnt oder wir beide.«
    »Leonie, schau dir die Leute an. Die Touristen da drüben, die sich gerade darauf geeinigt haben, dass sie jetzt noch auf die Burg hinaufmarschieren – bei der Hitze! Dieses ältere Paar dort drüben – siehst du, wie verbissen die ihren Kuchen mampfen? Und reden kein einziges Wort miteinander. Die hassen sich garantiert seit mindestens zehn Jahren und gehen trotzdem gemeinsam ins Café. Und hinter dir der Japaner, der auf seinen Laptop einhackt. Wahrscheinlich stellt er gerade die Fotos von seiner Sightseeingtour auf Facebook ein. Alle, die hier sitzen, spinnen. Aber wir beide sind völlig normal.«
    Das Mädchen hat sich nicht nach den Leuten umgesehen, hat ihren Blick nicht vom Tisch abgewandt.
    »Sandra hat sich also noch mal bei dir gemeldet?«
    »Ja, aber sie klang ganz fremd, irgendwie. Ich hab sie kaum verstanden. Sie hat ganz komisches Zeug geredet und gesagt, ich darf niemandem sagen, dass sie lebt. Ich musste es ihr versprechen und sie hat versprochen, dass sie sich wieder meldet.«
    »Und dann?«
    Leonie schluckt und stiert weiter auf die Tischplatte, als wollte sie diese mit Blicken durchbohren.
    »Es war ungefähr zwei Wochen nach dem Sonntag damals, da kam die erste SMS. Morgens zwischen drei und vier. Den Tag weiß ich nicht mehr. Und was Sandra mir geschrieben hat, war so – so – ich hab einfach kein Wort verstanden! Ich hab ihr zurückgeschrieben, aber hab keine Antwort bekommen. Irgendwann danach kam dann wieder eine SMS, völlig abgedreht – und ich hab gedacht, sie ist – sie ist – einfach wahnsinnig geworden.«
    »Was für

Weitere Kostenlose Bücher