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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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für die andere und ihr doch ganz nah.
    Die Wolken in Zoes Kopf lichten sich erst eine Stunde später, als ihre Tante Elena mit einem kleinen Juchzer die zierlichen Pantöffelchen mit schwarzem Lackabsatz und bunter Perlenstickerei aus der Geschenkschachtel zieht und sie auf der Stelle und unter der regen Anteilnahme sämtlicher weiblicher Verwandten, Bekannten und Freunde anprobiert. Nachdem sie mehrmals den Flur auf und ab stolziert ist, drückt sie Zoe derartig, dass diese meint, ihre Bandscheiben krachen zu hören – unbedingt merken: Schuhe schenken kommt immer gut!
    Einige Stunden später meint Zoe schon wieder etwas krachen zu hören, und zwar den Stuhl, auf dem sie sitzt, derartig vollgestopft fühlt sie sich nach all den Vorspeisen, Hauptgerichten und Zwischengängen. Dann war endlich auch Mikis, der Mann ihrer Schwester, mit einem leicht angetrockneten Blumenstrauß und unter dem begeisterten »Jassu« aller Anwesenden aufgetaucht und hatte sich schließlich, eine Flasche Ouzo und zwei Gläser in den Händen, neben sie gesetzt.
    »Jamas, Kollegin! Ich glaube, ich hab da was, das dich interessieren könnte.«
    Zoe trinkt ihren Ouzo in einem Zug und schaut ihren Schwager erwartungsvoll an. Der zieht ein paar zusammengefaltete Papiere aus der Innentasche seines sandfarbenen Leinensakkos und legt sie vor sich auf den Tisch.
    »Es gab vor rund drei Jahren eine Anzeige gegen Wolfgang Gerlach. Er soll damals versucht haben, eine seiner Schülerinnen zu vergewaltigen. Das Mädchen, das ihn beschuldigte, heißt …« Mikis blättert in den Papieren, die er mitgebracht hat, »Harms. Heike Harms. Allerdings stellte sich ziemlich schnell raus, dass sie sich die ganze Geschichte aus den Fingern gesogen hatte.«
    »Weiß man, warum?«
    »Ich habe mit der Kollegin gesprochen, die den Fall damals bearbeitet hat, aber sie konnte nicht aus dem Mädchen herausbekommen, weshalb sie ihren Lehrer beschuldigt hat. Schulische Motive dürften es jedenfalls nicht gewesen sein, meinte sie, die Harms hatte durchgängig gute Noten und war außerdem in so einer Art Elitemusikensemble, das der Gerlach geleitet hat.«
    »Hmpf«, Zoe zieht die Augenbrauen zusammen und stiert in ihre leere Kaffeetasse, als könne sie im schwarzen Bodensatz ein Motiv finden.
    »Das ist aber noch nicht alles – willst du wissen, was ich außerdem entdeckt habe?«
    »Mensch, Mikis, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen –   ein   komplizierter Kollege reicht mir!«
    »Hab schon gehört, dass sie dir den Kalz vor die Nase gesetzt haben, soll ein ziemlicher Kotzbrocken sein, tut mir leid für dich, Kleine. Vielleicht muntert dich dies hier aber ein bisschen auf.« Er zieht ein Blatt aus dem Stapel und reicht es ihr. Während sie liest und immer größere Augen bekommt, schenkt er ihnen beiden aus der Ouzoflasche nach.
    »Das ist ja der Hammer!« sagt Zoe nach einer Weile.
    »Sag ich doch – Jamas, Frau Kollegin!«
     
     
     

Courante
    »Wo bleibt denn bloß der Ironman?«
    Zoe hat erst zwei Tage im Dezernat für Gewaltverbrechen hinter sich, doch scheint ihr diese Bezeichnung für Martin Kalz, die Mattusch soeben von sich gegeben hat, bereits so vertraut, als handele es sich um den Spitznamen eines Klassenkameraden aus Grundschulzeiten. Die zwischen Verzweiflung und Verbitterung changierende Miene ihres Vorgesetzten allerdings, die dieser im Angesicht des aufgeschlagenen   Bild -Lokalteils auf seinem Schreibtisch zur Schau trägt, ist ihr noch fremd.
    »Die haben das hoffentlich nicht von Ihnen, Frau Kandeloros?« fragt Mattusch und geht nahtlos dazu über, aus der Zeitung zu zitieren. » Der Musiklehrer und die schönen Mädchen … niemand wusste genau, was sich abspielte, wenn er mit ihnen alleine war, um Klavier und Cello zu unterrichten … ist die Tat von Sandra K. (19) die späte Rache eines Missbrauchsopfers oder handelte sie im Drogenrausch? … das süße Mädchen mit der teuflischen Droge im Blut … sind die Patienten im Klinikum Nord in Gefahr? …   et cetera, et cetera. Ich weiß genau, was für Anrufe in den nächsten Minuten hier eingehen werden.«
    Zoes weiblicher Instinkt sagt ihr, dass sie in diesem Augenblick gar nicht Zoe ist, jedenfalls nicht für Kriminalrat Helmut Mattusch, sondern dass sie als eine weibliche Anonymität fungiert, in der sie sich vorübergehend in ein Wesen zwischen Muse und Maria verwandelt, auch wenn Mattusch sie jetzt wieder beim Vornamen nennt und sagt, »Zoe, ich frage mich, wie sind die auf

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