Blausäure
zu ruhen. Aber sie sagte nichts. Dem Himmel sei Dank war sie nicht die Sorte Frau, die einen Mann zu seiner Korrespondenz ausfragte!
Nach dem Frühstück nahm er den Wagen und fuhr die zwölf Kilometer zum nächsten Marktstädtchen. Es war nicht ratsam, das Gespräch vom Dorf aus zu führen. Er erwischte Rosemary am Telefon.
«Hallo – bist du’s, Rosemary? Hör auf, mir Briefe zu schreiben.»
«Stephen, Liebster, wie schön, deine Stimme zu hören!»
«Sei vorsichtig, kann dich jemand hören?»
«Natürlich nicht. O, mein Engel, ich vermisse dich so! Du mich auch?»
«Natürlich vermisse ich dich. Aber schreib nicht mehr, hörst du! Es ist zu riskant.»
«Hast du dich über meinen Brief gefreut? Hast du gespürt, wie nah ich dir bin? Du, Schatz, ich möchte jede Minute bei dir sein. Geht’s dir auch so?»
«Ja, aber nicht am Telefon, Mädchen!»
«Ach, sei doch nicht so übertrieben vorsichtig! Das ist ja lächerlich! Was soll schon passieren?»
«Ich denke dabei auch an dich, Rosemary. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du meinetwegen in Schwierigkeiten kämest.»
«Es ist mir egal, was mir passiert. Das weißt du doch.»
«Aber mir ist es nun einmal nicht egal, Schätzchen.»
«Wann kommst du zurück?»
«Am Dienstag.»
«Dann treffen wir uns also am Mittwoch in der Wohnung.»
«Ja – ähm – ja.»
«Ach Liebster, ich halte das Warten kaum noch aus. Kannst du nicht irgendeine Ausrede erfinden und schon heute zurückkommen? Oh, Stephen, bitte! Irgendetwas fällt dir bestimmt ein, was Politisches oder irgend so ein Quatsch?»
«Kommt überhaupt nicht in Frage.»
«Du scheinst mich nicht halb so doll zu vermissen wie ich dich!»
«Unsinn, natürlich vermisse ich dich.»
Als er den Hörer aufgelegt hatte, fühlte er sich müde. Warum bestanden Frauen nur darauf, so verdammt unbekümmert zu sein? Rosemary und er mussten in Zukunft vorsichtiger sein. Sie durften sich nicht mehr so oft treffen.
In der Folgezeit gab es Probleme. Er hatte zu tun – viel zu tun. Es war einfach unmöglich, so viel Zeit wie bisher für Rosemary aufzubringen – und es war nervtötend, dass sie das nicht begreifen wollte. Sooft er es ihr auch erklärte, sie hörte ihm nicht zu.
«Ach, ewig deine dumme Politik – als ob die so wichtig wäre!»
«Aber sie ist wichtig – »
Sie verstand es nicht. Es war ihr egal. Sie interessierte sich nicht für seine Arbeit, seine Ambitionen, seine Karriere. Sie wollte nur immer und immer wieder hören, dass er sie liebte – das war alles. «Noch genauso stark wie früher? Sag mir noch einmal, dass du mich wirklich liebst!»
Davon hätte sie mittlerweile doch wirklich ausgehen können! Sie war ein süßes Geschöpf, ganz süß – aber das Problem war, dass man mit ihr nicht reden konnte.
Und es war ein Problem, dass sie zu viel zusammen gewesen waren. Man konnte nicht ewig im Fieberrausch bleiben. Sie mussten sich weniger sehen – die Affäre ein bisschen runterkochen –
Das aber nahm sie ihm übel – sehr übel. Sie machte ihm jetzt ständig Vorwürfe.
«Du liebst mich nicht mehr.»
Und dann musste er sie beruhigen, musste schwören, dass er sie selbstverständlich noch liebte. Und sie beschwor die Erinnerung an alles und jedes, was er je zu ihr gesagt hatte, wieder herauf.
«Weißt du noch, wie du sagtest, es wäre wunderbar, zusammen zu sterben? Für immer einzuschlafen in den Armen des anderen? Und erinnerst du dich noch – du meintest, wir sollten uns einer Karawane anschließen und mit ihr in die Wüste ziehen? Nur Sterne und Kamele – und dann alles andere in der Welt vergessen?»
Was für verdammt dummes Zeug faselte man, wenn man verliebt war! Damals war es ihm gar nicht so dumm erschienen, aber es war etwas anderes, den Unsinn jetzt – bei klarem Verstand – noch einmal aufgewärmt zu bekommen! Warum konnten Frauen etwas nicht diskret auf sich beruhen lassen? Ein Mann wollte nicht ständig an seine gesammelten Torheiten erinnert werden.
Sie forderte plötzlich die absurdesten Dinge. Könnte er nicht nach Südfrankreich fahren und sie dort treffen? Oder nach Sizilien oder Korsika – an einen Ort, wo niemand sie kannte? Mit finsterer Miene antwortete Stephen, dass es einen solchen Ort auf der ganzen Welt nicht gab. Noch in den entlegensten Winkeln traf man stets irgendwelche lieben alten Schulfreunde, die man seit Jahren nicht gesehen hatte.
Und dann sagte sie etwas, was ihm Angst einjagte.
«Na und? Es wäre doch im Grunde ganz egal, oder?»
Er war
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