Blausäure
sind – Sie sind Lady Alexandra Hayle? Sie? Um Himmels willen! Sie müssen mich neulich ja für einen vollendeten Idioten gehalten haben.»
Ihre Reaktion war vorhersehbar. Herkunft und angeborene Freundlichkeit ließen nur eines zu: alles zu tun, was sie nur konnte, um ihn zu entlasten und ihm über seinen Fauxpas hinwegzuhelfen.
«Die Schuld liegt bei mir. Ich hätte es Ihnen gleich sagen müssen.»
«Aber ich hätte es wissen müssen. Sie halten mich sicher für einen Tölpel!»
«Sie konnten es ja nicht wissen. Ach, was soll’s überhaupt? Bitte, Mr Farraday, nehmen Sie es nicht so tragisch. Gehen wir weiter, bis zur Serpentine? Schauen Sie doch, wie MacTavish zieht.»
Nach dieser Begegnung fing er Sandra mehrmals im Hydepark ab. Er erzählte ihr von seinen beruflichen Plänen, und sie diskutierten über Politik. Er fand sie intelligent, gut informiert und Anteil nehmend. Sie hatte einen wachen Verstand und zeigte sich bemerkenswert frei von Vorurteilen. Sie schlossen Freundschaft.
Der nächste Fortschritt kam in Form einer Einladung zum Dinner und anschließendem Tanzengehen. Im letzten Moment hatte ein Gast abgesagt, und als sich Lady Kidderminster den Kopf zerbrach, wen sie als Ersatz einladen könnte, hatte Sandra ruhig gesagt:
«Wie ist es mit Stephen Farraday?»
«Stephen Farraday?»
«Ja, er war bei deinem Empfang neulich. Ich habe ihn seitdem ein, zwei Mal gesehen.»
Lord Kidderminster wurde hinzugezogen und war ganz dafür, die jungen Hoffnungsträger in der Politik zu fördern.
«Brillanter Bursche, wirklich recht brillant», meinte er. «Ich hab zwar noch nie was von seiner Familie gehört, aber er wird sich selbst eines Tages noch einen Namen machen.»
Stephen kam zum Abendessen und bewährte sich.
«Ein nützlicher junger Mann», urteilte Lady Kidderminster mit unbewusster Arroganz.
Zwei Monate später stellte Stephen sein Glück auf die Probe. Sie saßen am Ufer der Serpentine im Hydepark; MacTavish hatte seinen Kopf an Sandras Füße geschmiegt.
«Sandra, du weißt sicher – du musst es wissen, dass ich dich liebe. Ich möchte dich heiraten. Ich würde nicht fragen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass ich mir eines Tages einen Namen machen werde. Daran glaube ich felsenfest. Du wirst dich meiner nicht schämen müssen, das schwöre ich.»
«Ich schäme mich gar nicht.»
«Dann – bedeute ich dir auch etwas?»
«Hast du es nicht gespürt?»
«Ich habe es gehofft – aber konnte es nicht sicher wissen. Weißt du, dass ich dich liebe, seitdem ich dich zum ersten Mal sah, als du auf der anderen Seite des Salons standest und ich meinen ganzen Mut in beide Hände nahm und zu dir ging und dich ansprach?
In meinem ganzen Leben habe ich nicht solche Angst gehabt wie damals.»
«Ich glaube, ich habe dich damals auch schon geliebt», sagte sie.
Nicht alles ging so reibungslos vonstatten. Sandras ruhige Ankündigung, dass sie Stephen Farraday heiraten werde, rief den Protest ihrer Familie auf den Plan. Wer war der Mann überhaupt? Was wusste man über ihn?
Stephen machte Lord Kidderminster im Hinblick auf seine Herkunft und Familie nichts vor. Flüchtig dachte er, wie gut es im Grunde für ihn war, dass seine Eltern nicht mehr lebten.
Zu seiner Frau sagte Lord Kidderminster:
«Na ja, es hätte schlimmer kommen können.»
Er kannte seine Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie hinter ihrer ruhigen Art unbeugsame Zielstrebigkeit verbarg. Wenn sie den Burschen haben wollte, würde sie ihn kriegen. Die würde nie aufgeben!
«Der Knabe hat eine glänzende Karriere vor sich. Mit etwas Rückendeckung wird er es weit bringen. Der Himmel weiß, dass wir ein bisschen frisches Blut gebrauchen können. Scheint ja außerdem ein ganz anständiger Kerl zu sein.»
Lady Kidderminster gab ihre Zustimmung nur widerwillig. Diese Verbindung entsprach so gar nicht ihrer Vorstellung von einer guten Partie für ihre Tochter. Nun ja, Sandra war die schwierigste in der Familie. Susan war eine Schönheit und Esther außergewöhnlich intelligent. Die clevere Diana hatte den jungen Herzog von Harwich geheiratet – die Hochzeit der Saison. Sandra hatte nun einmal weniger Charme – schüchtern, wie sie war –, und wenn dieser junge Mann tatsächlich so eine Zukunft vor sich hatte, wie anscheinend jedermann dachte…
Sie kapitulierte mit leisem Murmeln:
«Nun, man wird gewiss seinen Einfluss geltend machen müssen…»
So gelobte denn Alexandra Catherine Hayle ihrem Stephen Leonard Farraday ewige
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