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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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aufschauten, so dass sich ihre Blicke kreuzten…
    «Vergiss es, Sandra!», sagte Stephen. «Lass uns das alles um Himmels willen vergessen!»
    «Vergessen nützt nichts. Es ist uns nicht erlaubt zu vergessen.»
    Es gab eine Pause. Dann sagte Sandra:
    «Was sollen wir machen?»
    «Was du gerade gesagt hast. Den Dingen ins Auge sehen – zusammen. Zu dieser furchtbaren Feier gehen, wozu sie auch immer gut sein soll.»
    «Du glaubst nicht, was George Barton über Iris sagte?»
    «Nein. Du etwa?»
    «Es könnte wohl stimmen. Aber selbst wenn es stimmt, ist es nur vorgeschoben.»
    «Was, glaubst du, ist denn der eigentliche Grund?»
    «Ich weiß es nicht, Stephen. Aber ich habe Angst.»
    «Vor George Barton?»
    «Ja. Ich glaube, er – weiß es.»
    «Was weiß er?», fragte Stephen scharf.
    Sie wandte ihm langsam ihr Gesicht zu, bis ihr Blick dem seinen begegnete.
    Sie flüsterte:
    «Wir dürfen keine Angst haben. Wir müssen Mut haben – allen Mut der Welt. Du wirst ein großer Mann sein, Stephen – ein Mann, den die Welt braucht – und nichts wird dich daran hindern. Ich bin deine Frau, und ich liebe dich.»
    «Was denkst du denn von dieser Einladung, Sandra?»
    «Ich glaube, es ist eine Falle.»
    Langsam sagte er:
    «Und wir gehen hinein?»
    «Wir dürfen uns nicht anmerken lassen, dass wir wissen, dass es eine Falle ist. Das können wir uns nicht leisten.»
    «Nein, das stimmt.»
    Plötzlich warf Sandra ihren Kopf zurück und lachte.
    «Versuch es doch, Rosemary! Du kannst dich abstrampeln, wie du willst, du gewinnst nicht.»
    Stephen packte sie an der Schulter.
    «Sei still, Sandra! Rosemary ist tot.»
    «So? Manchmal – kommt sie mir sehr lebendig vor…»

Drei
     
    A ls sie den Park zur Hälfte durchquert hatten, sagte Iris:
    «Macht es dir etwas aus, wenn ich nicht mit dir zurückkehre, George? Ich möchte noch einen kleinen Spaziergang machen. Ich denke, ich gehe noch über Friars Hill und komme dann durch den Wald zurück. Ich hatte den ganzen Tag so schreckliche Kopfschmerzen.»
    «Armes Mädchen. Ja, mach das! Ich kann leider nicht mitkommen – hab noch einen Termin am Nachmittag und weiß nicht genau, wann der Bursche aufkreuzt.»
    «Natürlich. Bis zum Tee dann!»
    Sie machte abrupt kehrt und hielt sich scharf nach rechts, wo ein Streifen von Lärchen den Abhang eines Hügels säumte.
    Als sie an der Kuppe des Hügels ankam, schöpfte sie tief Luft. Es war ein schwüler, feuchter Oktobertag. Eine dampfende Nässe lag auf den Blättern, und die tief hängenden, grauen Wolken kündigten weiteren Regen an. Hier oben auf dem Hügel herrschte kaum frischere Luft als im Tal, trotzdem hatte Iris das Gefühl, als könne sie etwas freier atmen.
    Sie ließ sich auf einem umgestürzten Baumstamm nieder und blickte hinunter ins Tal, wo sich Little Priors versteckt in seine bewaldete Senke schmiegte. Etwas links davon schimmerten rote Rosen auf Backstein: das Herrenhaus von Fairhaven.
    Das Kinn in die Hand gestützt, ließ Iris den Blick melancholisch über die Landschaft schweifen.
    Das leichte Rascheln hinter ihr war kaum lauter als das Tröpfeln von den Blättern, aber sie drehte sich mit einem Ruck um: Die Zweige teilten sich, und Anthony Browne trat hervor.
    Halb ärgerlich rief sie aus:
    «Tony! Warum musst du immer so auftauchen wie – wie der Teufel aus der Versenkung?»
    Anthony ließ sich neben ihr auf dem Boden nieder. Er zog sein Zigarettenetui hervor und bot ihr eine Zigarette an. Als sie ablehnte, nahm er sich selbst eine und zündete sie an. Nachdem er einen Zug genommen hatte, antwortete er:
    «Weil ich das bin, was die Zeitungen den großen Unbekannten nennen. Ich liebe es, aus dem Nichts aufzutauchen.»
    «Woher wusstest du, wo ich bin?»
    «Ein Fall für den Feldstecher. Ich hörte, dass du bei den Farradays zum Lunch warst, und habe dir vom Hügel aus nachspioniert, als du dort fortgingst.»
    «Warum kannst du nicht wie jeder normale Mensch zu uns nach Hause kommen?»
    «Ich bin kein normaler Mensch», sagte Anthony mit gespieltem Entsetzen. «Ich bin ziemlich außergewöhnlich.»
    «Allerdings.»
    Er warf ihr einen schnellen Blick zu. Dann sagte er:
    «Ist was?»
    «Nein, natürlich nicht. Zumindest – »
    Sie verstummte. Anthony fragte nach:
    «Zumindest?»
    Sie atmete tief ein.
    «Ich habe es satt, hier zu sein. Ich hasse Little Priors. Ich will zurück nach London.»
    «Du fährst doch bald, nicht wahr?»
    «Nächste Woche.»
    «Dann war dies also das Abschiedsfest bei den

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