Blausäure
natürlich habe ich keinen konkreten Beweis.»
«Damen haben oft ein erstaunliches Urteilsvermögen in diesen Dingen», sagte Kemp.
Das reichlich einfältige Lächeln, mit dem er diese Bemerkung unterstrich, hätte Colonel Race amüsiert, wenn er es denn hätte sehen können.
«Und schließlich, was ist mit Miss Lessing, Lady Alexandra?»
«Miss Lessing war, soweit ich weiß, Mr Bartons Sekretärin.
Ich traf sie zum ersten Mal an dem Abend, als Mrs Barton starb. Danach sah ich sie noch einmal draußen auf dem Land und gestern Abend.»
«Wenn ich Ihnen noch eine informelle Frage stellen dürfte, hatten Sie den Eindruck, dass sie in George Barton verliebt war?»
«Da bin ich wirklich überfragt.»
«Dann lassen Sie uns auf die Ereignisse des gestrigen Abends zu sprechen kommen.»
Er befragte sowohl Stephen als auch seine Frau detailliert nach dem Ablauf des tragischen Abends. Davon hatte er sich nicht viel erhofft, und tatsächlich war alles, was er bekam, lediglich die Bestätigung dessen, was er schon wusste. Alle Berichte stimmten in den wichtigen Punkten überein – Barton hatte vorgeschlagen, auf Iris’ Wohl zu trinken, hatte sein Glas erhoben und war direkt danach tanzen gegangen. Sie hatten alle gemeinsam den Tisch verlassen, und George und Iris waren als Erste zu ihren Plätzen zurückgekehrt. Keiner von beiden hatte eine Erklärung für den leeren Stuhl, außer dass George Barton vernehmlich gesagt hatte, dass er noch einen Freund, einen gewissen Colonel Race, erwarte, der sich am späteren Abend zu ihnen gesellen würde – eine Behauptung, die nicht im Geringsten der Wahrheit entsprach, wie der Inspektor wusste. Sandra Farraday gab an – und ihr Mann stimmte ihr zu –, dass George, als die Lichter nach dem Variete-Programm wieder angingen, sehr seltsam auf den leeren Platz gestarrt hätte und für einen Moment so abwesend erschien, als höre er nicht, was man zu ihm sagte – und dass er sich dann zusammengenommen und angeregt hätte, auf Rosemarys Wohl zu trinken.
Der einzige Punkt, den der Chief Inspector als Ergänzung seines Wissens betrachten konnte, war Sandras Zusammenfassung ihres Gesprächs mit George in Fairhaven – und seine dringende Bitte, dass sie und ihr Mann ihn Iris zuliebe bei dieser Feier unterstützen sollten.
Der Vorwand klang einigermaßen plausibel, dachte der Chief Inspector, auch wenn es natürlich nicht der wahre Grund war. Er klappte sein Notizbuch zu, in das er ein paar Hieroglyphen gekritzelt hatte, und erhob sich von seinem Sitz.
«Ich danke Ihnen vielmals, Lord Kidderminster und auch Mr Farraday und Lady Alexandra, für Ihre Hilfe und Kooperation.»
«Wird die Anwesenheit meiner Tochter bei der Totenschau erwartet?»
«Die Gerichtsverhandlung wird bei dieser Gelegenheit ganz formal ablaufen. Feststellung der Identität des Verstorbenen und dann die gerichtsmedizinischen Befunde, und dann wird die eigentliche Totenschau auf die nächste Woche vertagt. Bis dahin», sagte der Chief Inspector mit leicht verändertem Tonfall, «werden wir, so hoffe ich, schon weiter sein.»
Er wandte sich an Stephen Farraday.
«Ach übrigens, Mr Farraday, es gibt da ein, zwei Kleinigkeiten, bei denen ich denke, dass Sie mir helfen könnten. Nicht nötig, Lady Alexandra damit zu behelligen. Seien Sie so nett und rufen Sie mich im Yard an, damit wir einen Termin verabreden können, der Ihnen passt! Ich weiß, dass Sie ein viel beschäftigter Mann sind.»
Er hatte es liebenswürdig gesagt, mit einem Anschein von Beiläufigkeit, aber in drei Ohrenpaaren klangen die Worte bedeutungsschwanger nach.
«Natürlich, Chief Inspector», sagte Stephen. Er warf einen Blick auf die Uhr und murmelte: «Ich muss ins Parlament.»
Als Stephen davongeeilt und der Chief Inspector ebenfalls gegangen war, wandte sich Lord Kidderminster an seine Tochter, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
«Hatte Stephen eine Affäre mit dieser Frau?»
Der Bruchteil einer Sekunde verstrich, bevor seine Tochter antwortete.
«Natürlich nicht! Das hätte ich doch gewusst! Und überhaupt, Stephen ist doch gar nicht der Typ für so etwas.»
«Schau mal, Liebes, es hat keinen Sinn, dass du die Ohren zurücklegst und bockst. Diese Dinge kommen immer ans Tageslicht. Wir müssen doch wissen, wo wir in dieser Sache stehen.»
«Rosemary Barton hatte etwas mit diesem anderen Mann, Anthony Browne. Die beiden waren unzertrennlich.»
«Nun gut», sagte Lord Kidderminster langsam. «Du musst es ja wissen.»
Er
Weitere Kostenlose Bücher