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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ermittelt, dachte ich, ich sollte vielleicht kommen und Ihnen etwas erzählen. Ich habe mit einer Freundin darüber gesprochen, und sie riet mir ebenfalls zu. Ich nehme zwar nicht an, dass es irgendetwas mit der Sache zu tun hat, aber – »
    Miss West hielt inne.
    «Das überlassen Sie am besten uns», sagte Kemp freundlich. «Erzählen Sie es mir einfach.»
    «Ich habe zurzeit kein Engagement», erklärte Miss West.
    Beinahe hätte Chief Inspector Kemp etwas von «Stimme schonen» gesagt, um zu zeigen, dass er sich in ihrem Metier auskannte, aber er hielt sich zurück.
    «Aber die Agenten kennen meinen Namen, und mein Foto erschien in Spotlight… Soviel ich weiß, hat Mr Barton es dort gesehen. Er nahm Kontakt mit mir auf und erklärte mir, wofür er mich haben wollte.»
    «Ja?»
    «Er erklärte, dass er ein Abendessen im Luxembourg geben wollte und dabei eine Überraschung für seine Gäste plante. Er zeigte mir eine Fotografie und sagte mir, dass ich mich möglichst wie die Frau darauf zurechtmachen sollte. Ich hätte die gleichen Farben, meinte er.»
    Endlich ging Kemp ein Licht auf. Das Foto von Rosemary, das er auf Georges Schreibtisch am Elvaston Square gesehen hatte! Daran hatte die Frau ihn erinnert. Sie ähnelte wirklich Rosemary Barton – nicht allzu sehr – aber der Typ im Allgemeinen und die Physiognomie waren ähnlich.
    «Er brachte mir auch ein Kleid, das ich anziehen sollte – ich habe es mitgebracht. Aus grünlich grauer Seide. Ich sollte mir die Haare wie auf dem Foto frisieren – es war übrigens ein Farbbild – und die Ähnlichkeit mit Make-up betonen. Dann sollte ich während der ersten Varietevorstellung ins Luxembourg kommen und an Mr Bartons Tisch Platz nehmen, wo es einen leeren Stuhl geben würde. Er lud mich dorthin zum Mittagessen ein und zeigte mir, welcher Tisch es sein würde.»
    «Und warum haben Sie die Verabredung nicht eingehalten, Miss West?»
    «Weil um ungefähr acht Uhr am Abend – jemand – Mr Barton – mich anrief und mitteilte, die ganze Sache sei abgeblasen. Er sagte, er würde mich am nächsten Tag wissen lassen, wann es stattfinden würde. Aber am Morgen stand in der Zeitung, dass er gestorben war.»
    «Sehr vernünftig, dass Sie uns aufgesucht haben», sagte Kemp freundlich. «Ich danke Ihnen vielmals, Miss West. Sie haben immerhin ein Rätsel für uns geklärt – das Geheimnis des leeren Platzes. Übrigens, Sie sagten eben – ‹jemand› – und dann – ‹Mr Barton›. Wieso das?»
    «Weil ich zuerst nicht dachte, dass es Mr Barton sei. Seine Stimme klang anders.»
    «Eine Männerstimme?»
    «O ja, ich glaube schon – zumindest – sie klang ziemlich heiser, als ob er erkältet wäre.»
    «Und das war alles, was er sagte?»
    «Ja.»
    Kemp stellte ihr noch ein paar Fragen, kam aber nicht weiter. Als sie gegangen war, sagte er zu dem Sergeanten:
    «Das also war George Bartons berühmter ‹Plan›! Jetzt wissen wir, warum alle aussagen, dass er nach der Show auf den leeren Stuhl starrte und so seltsam und abwesend wirkte. Sein wertvoller Plan war schief gelaufen.»
    «Sie glauben nicht, dass er es selbst war, der ihr abgesagt hat?»
    «Nie im Leben! Und ich bin mir auch gar nicht einmal sicher, dass es eine Männerstimme war. Heiserkeit ist am Telefon eine gute Verkleidung. Nun, wir kommen voran. Schicken Sie Mr Farraday rein, wenn er da ist.»

Neun
     
    Ä ußerlich ruhig und gelassen, hatte Stephen Farraday Scotland Yard voller Widerwillen betreten. Eine schier unerträgliche Last bedrückte ihn. Am Morgen hatte es geschienen, als ob alles aufs Beste verliefe. Warum hatte Inspektor Kemp mit solchem Nachdruck auf seinem Kommen bestanden? Was wusste oder vermutete er? Es konnte sich nur um einen vagen Verdacht handeln. Jetzt hieß es, einen kühlen Kopf zu bewahren und nur ja nichts zuzugeben.
    Ohne Sandra kam er sich einsam und verlassen vor. Als ob eine Gefahr die Hälfte ihrer Schrecken verlor, wenn sie beide ihr gemeinsam gegenüberstanden. Zusammen besaßen sie Stärke, Mut und Kraft. Allein war er nichts, weniger als nichts. Ob es Sandra genauso ging? Wartete sie jetzt auf ihn im Kidderminster-Haus, schweigend, unnahbar, stolz – und dabei im Innersten schrecklich verwundbar?
    Inspektor Kemp empfing ihn freundlich, aber ernst. An einem Tisch saß ein Beamter in Uniform mit Papier und Bleistift. Kemp bot Stephen einen Sitzplatz an und begann, in strikt formellem Ton mit ihm zu sprechen.
    «Ich schlage vor, dass wir Ihre Aussage zu Protokoll nehmen,

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