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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wir nach Bell Yard, einem schmalen Hof nicht weit davon.
    Wir fanden bald den Krämerladen und in ihm eine gutmütig aussehende alte Frau, mit Wassersucht oder Asthma oder beiden Krankheiten zusammen behaftet.
    »Necketts Kinder?« wiederholte sie meine Frage. »Jawohl, Miß. Drei Treppen hoch, wenn's gefällig ist. Die Tür gerade der Treppe gegenüber.« Und sie reichte mir einen Schlüssel über den Ladentisch hinüber.
    Ich sah den Schlüssel an und sah sie an; aber sie schien es für selbstverständlich zu halten, daß ich wisse, was ich damit zu tun habe. Da er nur für die Tür der Kinder bestimmt sein konnte, verließ ich den Laden, ohne weiter zu fragen, und ging die dunkle Treppe hinauf voran. Wir traten so leise wie möglich auf, aber da wir zu viert waren, machten wir doch einigen Lärm auf den alten Stufen, und als wir den zweiten Stock erreichten, entdeckten wir, daß wir einen Mann gestört hatten, der jetzt aus seiner Zimmertür schaute.
    »Zu Gridley wollen Sie wohl«, sagte er und fixierte uns zornig.
    »Nein, Sir. Wir gehen höher hinauf.«
    Er sah Ada und Mr. Jarndyce und Mr. Skimpole der Reihe nach, wie sie vorübergingen und mir folgten, mit demselben zornigen Blick an. Mr. Jarndyce wünschte ihm guten Tag.
    »Guten Tag!« antwortete er kurz und barsch.
    Er war ein langer blasser Mann mit sorgenschwerem Haupt, auf dem nur noch sehr wenig Haar war, mit tief gefurchtem Gesicht und hervorstehenden Augen. Er hatte ein kampfbereites Aussehen und ein heftiges reizbares Wesen, das für mich, wenn ich dabei an seine Gestalt dachte, die trotz vorrückenden Alters noch groß und kräftig war, etwas Beunruhigendes hatte. Er hielt eine Feder in der Hand, und als ich im Vorbeigehen einen Blick durch die halb offene Tür warf, sah ich, daß die Stube voll Papier lag.
    Wir ließen ihn stehen und gingen in den obersten Stock. Ich klopfte an die Tür, und eine dünne, helle Kinderstimme rief drinnen: »Es ist zugesperrt. Mrs. Blinder hat den Schlüssel.«
    Ich sperrte auf und öffnete die Tür.
    In einem ärmlichen Zimmer mit abgeschrägten Wänden und nur sehr spärlichem Hausrat fanden wir einen kleinen Knaben, der ein schweres Kind von ungefähr achtzehn Monaten herumschleppte. Geheizt war nicht, trotz der großen Kälte. Beide Kinder waren in ein paar armselige Tücher und Kragen zum Schutz gegen die niedere Temperatur gewickelt. Aber die Umhüllungen wärmten sie so wenig, daß ihre Nasen rot und sie selbst ganz runzlig vor Kälte aussahen, wie der Knabe auf und ab ging und das Kleine, das den Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ, auf dem Arm wiegte.
    »Wer hat euch denn hier eingeschlossen?« fragten wir unwillkürlich.
    »Charley«, sagte der Knabe, blieb stehen und starrte uns an.
    »Ist Charley dein Bruder?«
    »Nein. Meine Schwester Charlotte. Vater nannte sie Charley.«
    »Seid ihr euer noch mehr außer Charley?«
    »Ich«, sagte der Junge, »und Emma«, und streichelte dabei das Mützchen der Kleinen. »Und Charley.«
    »Wo ist Charley jetzt?«
    »Waschen gangen«, sagte der Junge, fing wieder in der Stube an auf und ab zu gehen und brachte bei seinem Bestreben, uns dabei immerwährend anzusehen, das Mützchen in gefährliche Nähe des Bettpfostens.
    Wir sahen noch einander und die beiden Kinder ratlos an, als ein sehr kleines Mädchen, der Gestalt nach selbst noch ein Kind, aber klug und älter aussehend im Gesicht – und auch ganz hübsch –, mit einem viel zu großen hausfrauenhaften Hut auf dem Kopf und ihre bloßen Arme mit einer ebensolchen Schürze abtrocknend, hereintrat. Ihre Finger waren weiß und runzlig vom Waschen, und der Seifenschaum, den sie von ihren Armen abwischte, rauchte noch. Man hätte sie ganz gut für ein Kind halten können, das Waschen spielte und eine arme Arbeitsfrau gut nachahmte. Sie war irgendwoher aus der Nachbarschaft gekommen und mußte sich sehr geeilt haben, denn sie war ziemlich außer Atem und konnte anfangs, wie sie keuchend und sich die Arme abwischend dastand und uns ruhig ansah, kaum sprechen.
    »Oh, da ist Charley«, rief der Junge.
    Das Kleine streckte der Schwester die Arme entgegen und wollte von ihr genommen sein. Das Mädchen nahm es mit einer frauenhaft gesetzten Zärtlichkeit, die gut zu der Schürze und dem Hut paßte, und blickte uns über das Köpfchen, das sich zärtlich an sie schmiegte, hinweg an.
    »Sollte man so etwas für möglich halten«, flüsterte mein Vormund, als wir dem Mädchen einen Stuhl hinschoben und sie aufforderten, sich

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