Bleakhouse
leichten Nicken und Augenzwinkern und setzt sich an den Teetisch.
Die vier alten Gesichter schweben sodann über den Teetassen wie eine Gesellschaft gespenstischer Cherubim, und Mrs. Smallweed wackelt beständig mit dem Kopf und schnattert die Dreifüße an, während der greise Patriarch beständig geschüttelt werden muß wie eine große schwarze Flasche.
»Ja, ja«, sagt der alte Herr und fängt seine Vorlesungen über Weisheit wieder an. »Diesen Rat würde dir auch dein Vater gegeben haben, Bart. Du hast deinen Vater nie gesehen. Sehr schade. Er war mein echter Sohn.«
»Er war mein echter Sohn«, wiederholt der alte Herr und faltet die Hände mit der Butterschnitte über dem Knie. »Ein guter Rechner. –Starb vor fünfzehn Jahren.«
Von ihrem gewohnten Instinkt getrieben, ruft Mrs. Smallweed: »Fünfzehnhundert Pfund. Fünfzehnhundert Pfund in einem schwarzen Kasten! Fünfzehnhundert Pfund unter Schloß und Riegel! Fünfzehnhundert Pfund gut versteckt.«
Der würdige Gatte legt das Butterbrot hin und wirft sofort mit dem Kissen nach ihr. Sie wird in die Ecke ihres Stuhls gequetscht, und er sinkt entkräftet zurück.
Sein Aussehen, wenn er an Mrs. Smallweed wieder eine solche Ermahnung verschwendet hat, ist höchst ausdrucksvoll, aber keineswegs einnehmend. Erstens, weil ihm die Anstrengung meistens das Hauskäppchen über ein Auge schiebt und ihm ein Aussehen koboldartiger Flottheit verleiht, zweitens, weil er heftige Verwünschungen gegen Mrs. Smallweed ausstößt, und drittens, weil der Kontrast zwischen seinen kräftigen Ausdrücken und seiner schwächlichen Gestalt an einen giftigen alten Bösewicht erinnert, der gern grausam sein möchte, aber nicht kann.
Das alles ist etwas so Gewöhnliches in dem Familienkreise der Smallweeds, daß es weiter keinen Eindruck hervorruft. Der alte Herr wird nur geschüttelt und seine inneren Federn werden aufgeklopft, das Kissen wird von neuem an seinen gewöhnlichen Platz neben ihn gelegt und die alte Dame abermals in ihrem Stuhl aufgerichtet, um bei nächster Gelegenheit wieder wie ein Kegel umgeworfen zu werden.
Manchmal rückt man ihr die Mütze zurecht. Manchmal auch nicht.
Dies Mal vergeht einige Zeit, bis sich der alte Herr soweit beruhigt hat, um seine Rede fortsetzen zu können, und selbst dann mischt er verschiedne erbauliche Zurufe an die Gefährtin seines Lebens, die aber nicht zuhört und sich auf Erden nur noch mit Dreifüßen unterhält, hinein.
»Wenn dein Vater, Bart, länger gelebt hätte, würde er sehr reich geworden sein – du höllisches Plappermaul –, aber gerade als er anfing, das Gebäude aufzurichten, zu dem er viele Jahre lang den Grund gelegt hatte – du verwünschte Elster, was willst du denn eigentlich –, erkrankte er und starb an einem zehrenden Fieber, denn er war immer ein sparsamer Mann voll Sorge ums Geschäft – ich möchte dir eine Katze an den Kopf werfen, anstatt eines Kissens und tue es auch noch ein Mal, wenn du einen so verdammten Narren aus dir machst –, und deine Mutter, die eine verständige Frau war, so dürr wie ein Hobelspan, schwand hin wie Zunder, als sie dich und Judy geboren hatte... Du bist ein altes Schwein, du bist ein dummes Höllenschwein – Schweinskopf!!«
Judy, die sich für das, was sie schon so oft gehört hat, nicht im geringsten interessiert, gießt aus den Ober- und Untertassen und dem Grunde der Kanne verschiedne Nebenströme Tee zum Abendbrot der kleinen Scheuerfrau zusammen. Ebenso sammelt sie in dem eisernen Brotkorb soviel Rinden und Brocken Brot, als die strenge Sparsamkeit des Hauses übrig gelassen hat.
»Aber dein Vater und ich waren Kompagnons, Bart«, fährt der alte Herr fort, »und nach meinem Tode bekommen du und Judy alles. Es ist ein großes Glück für euch, daß ihr zeitig in die Lehre gegangen seid. Judy ins Blumengeschäft und du in die Kanzlei. Ihr werdet das Geld nicht anzugreifen brauchen. Ihr verdient euch auch so euren Lebensunterhalt und spart noch mehr dazu. Wenn ich tot bin, geht Judy wieder ins Blumengeschäft, und du bleibst in der Kanzlei.«
Nach Judys Aussehen könnte man eher auf eine Beschäftigung mit Dornen als mit Blumen schließen, aber sie ist frühzeitig in die Mysterien der Verfertigung künstlicher Blumen eingeweiht worden. Ein scharfer Beobachter hätte sowohl in ihrem als in ihres Bruders Auge, während ihr ehrwürdiger Großvater von seinem Tode sprach, ein klein wenig Ungeduld, wann er wohl sterben würde, und ein wenig Groll, daß es
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