Bleakhouse
mir leid, Sir«, sagt der Kavallerist und sieht nach einer neuerlichen Verlegenheitspause in seinen Hut, »daß ich Ihrem Wunsch nicht mehr habe entsprechen können. Wenn es gewünscht wird, daß ich in meiner Ansicht, lieber nichts mit der Sache zu tun zu haben, noch von einem Freund bestärkt werde, der einen bessern Kopf für Geschäftssachen hat als ich und auch ein alter Soldat ist, so will ich ihn gern zu Rate ziehen. Die – die Kehle ist mir gegenwärtig so vollkommen zugeschnürt«, sagt Mr. George und fährt sich mit der Hand hoffnungslos über die Stirn, »daß ich nicht weiß, ob es nicht eine Befriedigung für mich wäre.«
Als Mr. Smallweed vernimmt, daß die Autorität ein alter Soldat ist, rät er, so lebhaft er kann, ihn zuzuziehen und ihm vor allem zu sagen, daß es sich um fünf Guineen oder mehr handelt. Mr. George verspricht schließlich, hinzugehen und seinen Freund um Rat zu fragen. Mr. Tulkinghorn sagt nichts dafür und nichts dagegen.
»Wenn Sie wünschen, Sir, werde ich also meinen Freund zu Rate ziehen«, sagt der Kavallerist, »und mir die Freiheit nehmen, im Lauf des Tages mit einer endgültigen Antwort wieder vorzusprechen. Mr. Smallweed, wenn Sie jetzt die Treppe hinuntergetragen zu werden wünschen...«
»Einen Augenblick, mein lieber Freund, einen Augenblick. Möchten Sie mich noch ein Wort mit diesem Herrn unter vier Augen sprechen lassen?«
»Gewiß, Sir. Übereilen Sie sich meinetwegen nicht.«
Der Kavallerist zieht sich in einen entfernten Winkel des Zimmers zurück und besichtigt wieder neugierig den Geldschrank und die Kasten.
»Wenn ich nicht so schwach wie ein kleines Höllenschwefelkind wäre, Sir«, flüstert Großvater Smallweed, während er den Advokaten an der Rockklappe zu sich herunterzieht und in seinen zornigen Augen ein halberloschnes grünes Feuer glimmt, »so würde ich ihm das Schreiben entreißen. Er hat es in seine Brusttasche eingeknöpft. Ich habe gesehen, wie er es einsteckte. Judy hat's auch gesehen. Sprich doch, du ausgetrocknetes Bild für das Schild eines Spazierstockladens, und sag, daß du es ihn hast einstecken sehen!«
Diese vehemente Beschwörung begleitet der alte Ehrenmann mit einem solchen Stoß nach seiner Enkelin, daß es seine Kräfte übersteigt und er aus seinem Stuhl herausrutscht, Mr. Tulkinghorn nachziehend, bis Judy ihn aufhält und zurechtschüttelt.
»Mit Gewaltmaßregeln will ich nichts zu tun haben, mein Freund«, lehnt Mr. Tulkinghorn kühl ab.
»Nein, nein, ich weiß, ich weiß, Sir, aber ärgerlich und verdrießlich ist's... s ist noch viel schlimmer als deine schnatternde plappernde Elster von einer Großmutter«, sagt Großvater Smallweed zu der undurchdringlichen Judy, die immer nur ins Feuer sieht. »Zu wissen, daß er hat, was wir brauchen, und es nur nicht herausgeben will. Er es nicht herausgeben ! Er! Ein Vagabund! Aber tut nichts, Sir. Tut nichts. Schlimmstenfalls hat er nur eine kleine Weile seinen Willen. Ich habe ihn von Zeit zu Zeit im Schraubstock. Ich werd ihn schon mürb machen, Sir. Ich werde die Schraube schon zuziehen, Sir. Wenn er nicht freiwillig tut, was ich will, werde ich ihn schon zwingen, Sir. – Nun, mein lieber Mr. George«, sagt Großvater Smallweed, läßt den Advokaten los und zwinkert ihm häßlich zu. »Wenn ich jetzt Ihre Hilfe in Anspruch nehmen darf, mein vortrefflicher Freund...«
Mr. Tulkinghorn, durch dessen Selbstbeherrschung ein leichtes Licht dringt, das verrät, daß ihn der Auftritt sehr amüsiert, steht mit dem Rücken gegen das Feuer auf dem Kaminteppich, sieht dem Entschwinden Mr. Smallweeds zu und erwidert den Gruß des Kavalleristen mit einem leichten Nicken.
Mr. George findet, daß es schwerer ist, den alten Herrn loszuwerden als ihn die Treppen hinuntertragen zu helfen, denn als dieser wieder im Wagen sitzt, zeigt er sich so geschwätzig über die Guineen und hält »seinen lieben Freund« so zärtlich am Knopf fest – von dem heimlichen Verlangen beseelt, ihm den Rock aufzureißen und das Papier zu entwenden –, daß Mr. George beinahe Gewalt anwenden muß, um von ihm loszukommen. Endlich gelingt es, und er macht sich allein auf den Weg zu seinem Ratgeber.
Er schreitet am klösterlichen »Tempel« und bei Whitefriars vorbei –nicht ohne einen Blick auf Hanging-Sword-Alley, die ihm einigermaßen am Weg zu sein scheint – und über die Blackfriarsbrücke und durch die Blackfriars-Road gelassen nach einer Straße voll kleiner Läden in jenem Gewirr von Wegen
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