Bleakhouse
erscheint.«
»Das sind starke Worte, William Guppy«, entgegnet Mr. Weevle.
»Kann sein, Sir. Aber ich fühle stark, wenn ich so spreche.«
Mr. Weevle gibt zu, Unrecht gehabt zu haben, und bittet Mr. William Guppy, nicht mehr daran zu denken. Da jedoch Mr. William Guppy momentan im Vorteil ist, so kann er doch unmöglich aufhören.
»Nein, wahrhaftig, Tony«, sagt er, »du solltest dich wirklich in acht nehmen, die Gefühle eines Menschen zu verletzen, dessen Herz so überempfindlich sein muß. Du, Tony, besitzest in dir selbst alles, was das Auge erquickt und den Geschmack erfreut. Es ist – vielleicht zum Glück für dich, und ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir sagen –nicht in deinem Charakter gelegen, eine einzige Blume zu umschweben. Dir steht der ganze Garten offen, und deine luftigen Schwingen tragen dich von Blüte zu Blüte. Dennoch, Tony, liegt mir nichts ferner, als ohne Ursache selbst deine Gefühle zu verletzen.«
Tony bittet abermals, die Sache fallen zu lassen, und sagt mit Emphase: »Aber laß doch, William Guppy, hör schon auf!«
Mr. Guppy fährt versöhnlich fort: »Ich hätte nie von selbst davon angefangen, Tony.«
»Aber jetzt zu den Briefen«, unterbricht ihn Tony und schürt das Feuer. »Ist es nicht merkwürdig, daß Krook gerade zwölf Uhr Mitternacht zur Übergabe bestimmen muß?«
»Allerdings. Warum wohl?«
»Hat er je einen Grund, wenn er etwas tut? Er sagte, heute sei sein Geburtstag und er wolle sie mir nachts um zwölf Uhr übergeben. Er wird um diese Zeit total betrunken sein. Er war es schon den ganzen Tag über.«
»Hoffentlich hat er die Verabredung nicht vergessen?«
»Vergessen? Da kennst du ihn schlecht. Er vergißt nie etwas. Ich sah ihn heute abend gegen acht und half ihm den Laden zusperren, und da hatte er die Briefe unter seiner Pelzmütze. Er nahm sie ab und zeigte mir das Paket. Als der Laden zu war, nahm er es heraus, hängte die Mütze auf die Stuhllehne und sah es durch vor dem Kamin. Kurze Zeit darauf hörte ich ihn durch die Dielen hier, wie der Wind heult, das einzige Lied summen, das er kann, von Bibo und dem alten Charon, und daß Bibo betrunken war, als er starb, oder so etwas Ähnliches. Er ist seitdem so ruhig gewesen wie eine alte Ratte, die in ihrem Loch schläft.«
»Und du sollst um zwölf Uhr hinunterkommen?«
»Um zwölf. Und wie ich dir schon sagte, als du kamst, scheint es mir bereits hundert Uhr zu sein.«
»Tony«, sagt Mr. Guppy, nachdem er eine Weile mit überschlagnen Beinen nachdenklich dagesessen hat. »Er kann noch immer nicht lesen, wie?«
»Lesen! Er wird überhaupt nie lesen können. Er kann die Buchstaben einzeln hinschreiben und kennt sie, wenn er sie sieht, das habe ich ihm nach und nach beigebracht, aber verbinden kann er sie nicht. Er ist zu alt, um solche Nüsse zu knacken, und säuft zu viel.«
»Tony.« Mr. Guppy schlägt jetzt das rechte Bein über das linke. »Wie mag er wohl den Namen Hawdon herausbuchstabiert haben?«
»Er hat ihn doch gar nicht heraus buchstabiert. Du weißt, wie merkwürdig sein Auge geschult ist, sich mit dem Kopieren von Worten bloß der äußern Form nach zu beschäftigen. Er machte den Namen nach – allem Anschein nach war es eine Briefadresse – und fragte mich, was sie bedeute.«
»Tony, was meinst du? Ist das Original eine Frauen- oder eine Männerhand?«
»Eine Frauenhand! Fünfzig gegen eins sind die Briefe von einer Dame. Die Buchstaben stehen schräg, und die Schwänze der 'n' sind lang und hastig.«
Mr. Guppy hat während dieses Zwiegesprächs abwechselnd an den Nägeln seiner Daumen gekaut und die Beine nervös übereinandergeschlagen. Wieder ändert er seine Stellung, und dabei fällt sein Blick zufällig auf seinen Rockärmel. Seine Aufmerksamkeit wird rege. Er starrt erschrocken hin.
»Aber Tony, was geht nur heute nacht in diesem Hause vor? Brennt ein Schornstein?«
»Ein Schornstein brennen?«
»Hm«, entgegnet Mr. Guppy. »Schau nur, wieviel Ruß fällt. Schau hier meinen Arm. Und hier auf dem Tisch! Verdammtes Zeug! Es läßt sich nicht wegblasen. Es schmiert sich wie schwarzes Fett.«
Sie sehen einander an, Tony geht horchend an die Tür und ein paar Stufen die Treppe hinauf, kommt dann mit der Nachricht zurück, es sei alles still, und äußert wieder, wie schon vorhin zu Mr. Snagsby, daß sie wahrscheinlich in der »Sonne« Hammelkoteletten brieten.
»Und bei dieser Gelegenheit«, nimmt Mr. Guppy seine Rede wieder auf, besieht sich dabei immer
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