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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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lieben Kind, das ich mit so heißer Sehnsucht wiederzusehen wünschte, vor die Augen träte. Aber es ist die Wahrheit. Ich hegte wirklich diesen Wunsch und war überzeugt, daß mein Vormund mich verstehen werde.
    »Unser verzognes kleines Frauchen«, sagte er, »soll, wenn sie schon so versessen drauf ist, ihren Willen haben, wenn es auch Tränen kosten wird. Da hätten wir zum Beispiel Boythorn. Der ritterliche Bursche hat mit so leidenschaftlichen Gelübden, wie sie vielleicht noch kein Papier je aufgenommen hat, bei Himmel und Erde geschworen, wenn du nicht zu ihm kämest und sein ganzes Haus bezögest, das er übrigens nur zu diesem Zweck bereits geräumt hat, wolle er es niederreißen und keinen Stein auf dem andern lassen.«
    Und mein Vormund legte einen Brief in meine Hand, der nicht wie gewöhnlich mit: »Mein lieber Jarndyce« begann, sondern anfing:
    »Ich schwöre, daß, wenn Miß Summerson nicht zu mir kommt und mein Haus bezieht, das ich heute um ein Uhr mittags für sie räume, usw. usw.«
    und dann mit der größten Ernsthaftigkeit und den nachdrücklichsten Worten dieselbe Erklärung wiederholte. Wir mußten herzlich über den Brief lachen, so sehr wir auch Mr. Boythorns liebenswürdigen Vorschlag zu schätzen wußten, und kamen überein, daß ich ihm morgen früh einen Dankbrief schreiben und sein Anerbieten annehmen sollte. Es war mir höchst angenehm, denn von allen Orten, die ich mir hätte ausdenken können, war mir keiner so erwünscht als Chesney Wold.
    »Nun, kleine Hausfrau«, sagte mein Vormund und sah auf die Uhr, »meine Zeit wurde mir, ehe ich heraufkam, genau zugemessen und ist jetzt bis zur letzten Minute verstrichen. Du mußt dir vorläufig noch Ruhe gönnen. Ich habe nur noch eine Bitte. Die kleine Miß Flite faßte nämlich auf das Gerücht, daß du krank wärest, auf der Stelle den Entschluß, hierher zu wandern – zwanzig Meilen in Tanzschuhen, die arme Alte –, um sich nach dir zu erkundigen. Ein wahres Glück, daß wir zu Hause waren, sonst hätte sie unverrichteter Dinge wieder umkehren müssen.«
    Die alte Verschwörung, mich glücklich zu machen! Jedermann schien dabei beteiligt zu sein!
    »Wenn es dir nun nicht unangenehm ist, die harmlose kleine Alte einmal nachmittags vorzulassen, ehe du Boythorns sonst dem Untergang geweihtes Haus vor Zerstörung bewahren gehst, glaube ich, würdest du sie stolzer und zufriedener damit machen, als ich – trotzdem ich den ausgezeichneten Namen Jarndyce führe – in meinem ganzen Leben imstande wäre.«
    Ich bezweifle nicht, daß er wußte, wie besänftigend und heilsam der Anblick des armen unglücklichen Geschöpfs zu jener Zeit auf mein Gemüt wirken werde. Ich fühlte es, noch während er mit mir sprach. Ich konnte ihm nicht herzlich genug versichern, wie bereit ich sei, sie zu empfangen. Ich hatte sie immer bemitleidet; vielleicht niemals so sehr wie jetzt. Ich war stets froh gewesen, sie in ihrem Unglück wenigstens einigermaßen trösten zu können; aber nie, nie halb so sehr wie jetzt.
    Wir verabredeten also einen Tag, wo Miß Flite mit der Landkutsche zu uns kommen und mein Rekonvaleszentenmittagessen mit mir teilen sollte.
    Als mein Vormund mich verließ, wendete ich auf meinem Lager mein Gesicht ab und betete zu Gott um Verzeihung, daß ich meine kleine Prüfung, von solchen Segnungen umgeben, nicht leichter trug. Die kindliche Bitte an jenem längst vergangnen Geburtstag, wo ich gelobt hatte, zufrieden, fleißig und treuen Herzens zu sein und Gutes zu erweisen, wann immer ich könnte, und mir Liebe zu erwerben, wenn es mir gelänge, kehrte mit einem vorwurfsvollen Gedanken an alles seitdem genoßne Glück und all die mir erwiesne Liebe in meine Seele zurück. Wenn ich jetzt schwach werden sollte, was hätten mir alle diese gnädigen Schickungen genützt? Ich wiederholte das alte kindische Gebet in seinen alten kindischen Worten und fand, daß es mir Frieden gab wie damals.
    Mein Vormund besuchte mich von da an jeden Tag. Nach Verlauf einer Woche konnte ich in den beiden Zimmern herumgehen und hinter dem Vorhang hervor lange mit Ada sprechen. Aber ich zeigte mich ihr nie, denn ich hatte noch nicht den Mut dazu.
    An dem festgesetzten Tag kam Miß Flite. Die arme kleine Alte eilte, ihr gewöhnliches würdevolles Benehmen ganz beiseite lassend, in mein Zimmer und rief, aus tiefstem Herzen schluchzend: »Meine liebe Fitz-Jarndyce!«, fiel mir um den Hals und küßte mich wohl zwanzig Mal.
    »Mein Gott!« sagte sie und fuhr mit

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