Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
nicht so leicht los wie mein Pillenfläschchen. Alles, was auf dem Löffel war, landete auf ihrem schwarzen Oberteil: das Eis und der dicke, weiße, fingerlange Milchwurm.
Petra sprang zurück und schrie, während der Wurm über ihre Brust und ihren blassen Hals kroch. Er hätte es wahrscheinlich in ihren offenen Mund geschafft, wenn ich ihn nicht auf ihrem Hals wie eine Fliege totgeschlagen hätte. Ich hatte nicht bedacht, wie widerlich es aussehen würde – das Zeug, das aus dem Milchwurm kam, hatte die Farbe von Käse.
Petra kreischte, während sie ihren Hals mit Papierservietten aus dem Ständer, der auf dem Tisch stand, sauber wischte. Ich nahm mir ein paar, bevor sie alle aufbrauchte. Ich hätte diejenige sein sollen, die kreischte. Meine Hand fühlte sich an, als wäre eine Nacktschnecke darauf explodiert.
»Es ist nur ein Milchwurm, Pet«, sagte Wyatt, weil ihm ihr Gewinsel nicht früh genug abebbte. »Sei doch nicht so …«
»Feige?«, schrie sie verletzt. »Das denkst du von mir? Hast du deshalb hier wie auf Abruf gesessen und drauf gewartet, dass ich das Ding verschlucke?«
»Pet …«
»Fick dich! Es ist mir jetzt echt egal. Ich hab einen Neuen. Wusstest du das? Er ist groß und muskulös und ihm macht es nichts aus, auf mich aufzupassen.«
»So, wie du auf Michael aufgepasst hast?«, sagte Wyatt leise.
Petra erstarrte, als hätten seine Worte sie getötet.
»Ich versuche nur, dir zu helfen«, sagte er.
Sie schlug ihm ins Gesicht. Der Knall war laut genug, um alle Blicke im Diner auf uns zu ziehen. »Ich scheiß auf deine Hilfe.«
Wyatt streckte seine Hand nach ihr aus, und Petra wich zurück, als hätte sie Angst, er würde zurückschlagen. Was er natürlich nicht tat. Er ließ die Hand sinken und sah so enttäuscht aus, dass sie von ihm wegrannte, raus aus dem Diner.
»Wer ist Michael?«, fragte ich, als sich die Lage etwas beruhigt hatte.
»Ihr kleiner Bruder.« Geistesabwesend rieb Wyatt den roten Handabdruck in seinem Gesicht und starrte auf seinen leeren Teller.
»Er starb, als sie auf dem Nachhauseweg vom Kino waren. Ein Kreischer hat seine Beine abgebissen, und weißt du, was Pet machte? Sie ließ ihn zurück. Allein auf der Straße, in der Dunkelheit, mit einem Kreischer, der dabei war, ihn zu fressen. Ich machte gerade einen Kontrollgang mit den Mortmaine, als es passierte, und ich war der Erste vor Ort. Ich sah, wie sie wegrannte. Wenn die anderen Mortmaine sie gesehen hätten, hätten sie sie umgelegt, wie sie auch den Kreischer umgelegt haben. Ich versuchte, Michael zu retten, aber er hatte zu viel Blut verloren. Ich versuchte auch, Pet irgendwie zu retten. Ich dachte, vielleicht hatte sie nur Panik, und wenn sie noch mal in so einer Situation wäre, würde sie es schaffen. Vielleicht würde sie sich dafür interessieren, anderen Leuten zu helfen, wenn sie schon bei ihrem Bruder versagt hat. Wenigstens aus einem Schuldgefühl heraus. Aber jetzt weiß ich wirklich nicht mehr. Wegen einem Milchwurm zu schreien?« Er warf mir einen verzweifelten Blick zu, als könnte ich ihm Petras Verhalten erklären.
»Vielleicht mag sie einfach das ganze Krabbelzeug nicht.«
»Dann hätte sie nicht hierherziehen dürfen«, sagte er scharf, als hätte ich ihm die falsche Antwort gegeben. »Hier gibt es nichts anderes als Krabbelzeug.« Er spuckte das Wort aus. »So viel davon, dass kein Platz für Feiglinge ist.«
»Absolut nicht.«
24
Nach dem Drama im Diner war ich froh, zu Rosalee nach Hause gehen zu können. Sie stand mit nackten Füßen und ihrer roten Schürze in der Küche. Ich konnte kaum glauben, dass sie so früh am Nachmittag schon zu Hause war. »Nimm deine Tabletten«, sagte sie. »Ich mach Abendessen.«
Ich freute mich darauf, meine Pillen zu nehmen, weil ich eine Mutter hatte, der daran lag, dass ich gesund war. Dann ging ich mit meinen Schulbüchern zurück in die Küche. »Was gibt’s denn?«
»Tortillasuppe. Und bevor du fragst: Nein, das ist nichts Schwarzes.«
»Hört sich super an.« Ich hatte immer noch Hunger. Ich hatte in den letzten paar Tagen nicht richtig gegessen, und mein Magen schien sich entschlossen zu haben, alles aufzuholen.
Ich ließ meine Bücher auf den Tisch fallen. »Da sind bestimmt fünfzig Nachrichten auf dem Anrufbeantworter.«
Sie hörte kurz damit auf, die Peperoni zu schneiden, und sah mich an. »Ich weiß.«
»Ich wette, die meisten davon sind von dieser Schlange.« Ich goss mir ein Glas Milch ein.
»Welche Schlange? Davon kenn ich
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