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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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Mitbürger ließ sie kalt. »Die dunklen Pfirsiche, die auf diesen Bäumen wachsen, bringen Glück, aber sie werden eifersüchtig bewacht. Falls du nicht dringend mit Pfirsichkernen gesteinigt werden willst, nimm niemals einen, es sei denn, man bietet ihn dir an.«
    Der Dark Peach Street zu Ehren gingen wir in den Alcide’s Cajun Market und kauften eine Tüte normale Pfirsiche von einem strammen weißhaarigen Mann mit Hosenträgern. Rosalee sprach mit ihm auf Deutsch, und er antwortete ihr, von einem Ohr zum anderen grinsend, während er mit ihr flirtete.
    »Du hast mal in Deutschland gewohnt, richtig?«, fragte ich, als wir weitergingen. Der Pfirsich war warm und süß und wunderbar in meinem Taquito-versengten Mund. »Ich erinnere mich daran, dass Poppa mir erzählte, ihr hättet euch in einem Flugzeug nach Hamburg kennengelernt.«
    Sie sagte nichts. Ich hoffte, sie würde mich nicht wieder anschweigen wie früher.
    »Warum bist du nach Deutschland gezogen?«, hakte ich noch mal nach.
    »Ich habe in Heidelberg studiert. Es war so anders, das Gegenteil von den Dingen, mit denen ich hier aufgewachsen war. Deutschland veränderte sich, die Berliner Mauer war gefallen. Es schien eine gute Zeit für Veränderungen.«
    »Hast du dich verändert?«
    »Nein.« Sie zuckte fatalistisch die Schultern. »Einmal ein Unterstadtmädchen, immer ein Unterstadtmädchen.«
    »Lebt deine Familie immer noch in der Unterstadt?«
    »Nein. Sind rauf in die Lamartine gezogen.«
    »Sie wohnen in unserer Straße?«
    Ich wollte mich schon über Großeltern und Cousinen freuen, als sie sagte: »Ja. Auf dem Friedhof.«
    » Alle ?«
    »So viele gab es nicht von uns. Nur mich, die Eltern und ein paar Großtanten. Willst du mein altes Haus sehen?«
    Es war gleich die Straße runter, ein eingeschossiges Haus mit orangefarbenen Fensterläden. Ein Kinderfahrrad lag vergessen auf dem Rasen.
    Rosalee schien ganz leer zu werden, als sie das Haus anstarrte. »Siehst du den Baum?« Sie zeigte auf eine Pappel, deren Schatten auf den Rasen fiel. »Immer, wenn ich Mist gebaut hatte, ging Daddy mit mir hier raus, brach einen Ast von dem Baum und swischte mich damit.«
    »Swischte?«
    Sie tat so, als wollte sie nach meinen Beinen schlagen.
    »Er hat dich damit geschlagen ?«
    »Körperliche Züchtigung.« Sie sah finster auf das Haus. »Du hast absolut nichts verpasst, wenn du nicht im Süden aufgewachsen bist.«
    »Wir sind nach Dallas gezogen, als ich sieben war«, sagte ich, um sie abzulenken. »Ich habe neun Jahre im Süden gelebt.«
    »Das ist nicht dasselbe.« Ihre schwarzen Augen wurden etwas weicher. »Du warst mit Joosef weit weg von hier. Glücklich. Frei.«
    »Ich wäre gerne hier aufgewachsen.«
    »Hier ist es gefährlich.« Sie versteckte ihre Hände unter den Achseln. »Ich dachte immer, dass Daddy deshalb so war, wie er war. Weil er mich unbedingt beschützen wollte. Und als du aufgetaucht bist, dachte ich: Ich muss genau wie Daddy sein, wie sonst kann ich sie beschützen? Aber so konnte ich nicht sein. Ich konnte dir nicht wehtun.«
    Seltsamerweise verstand sie nicht, dass ihre Kälte schmerzhafter als alle Schläge gewesen war.
    »Also entschied ich mich, einfach abzuwarten. Du würdest Angst bekommen und gehen. Ich hoffte, du würdest einfach nur etwas Schreckliches sehen und nicht davon aufgefressen werden. Ich hoffte, du würdest dann aufgeben. Und dann kamst du aus diesem verdammten Dunklen Park mit dem abgetrennten Kopf. Und du bist so locker damit umgegangen. Gott, hat mich das geärgert.«
    Aber sie sah nicht verärgert aus. Sie hörte sich nicht einmal verärgert an. Je mehr sie sprach, desto toter wirkte sie. Als würde ihr ihre Kindheit etwas Lebenswichtiges entziehen.
    »Du hattest Angst um mich?«, fragte ich und berührte ihren Arm.
    »Zum Teil.« Sie wich vor meiner Berührung zurück, ihre Augen immer noch auf das Haus geheftet. »Vor allem aber merkte ich, dass die Art, wie man mich erzogen hatte, vollkommen sinnlos war, als ich sah, wie gut du auf dich aufpassen konntest. All die Prügel. Die Schläge. Das Spionieren. Die Fragen. Ich ging nur fünf Minuten weg, und es hieß schon: Wo warst du, wen hast du getroffen, wer hat dich gesehen, warum hat das so lange gedauert? Daddy fragte mich nach Jungs, die ich kannte, oder Jungs, von denen er dachte, ich könnte sie kennen, und ob ich sie jemals dies oder das mit mir tun lassen würde, all diese genauen Fragen. Die Männer haben mich immer gefragt, wo ich gelernt hätte, so gut

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