Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
dunkelsten, innersten Geheimnisse mit jemandem zu teilen, der mich danach immer noch mochte. Fast so gut, wie eine Mutter zu haben, die mich mochte.
Wyatt lächelte mich nachdenklich an. »Ich wette, du hast Medikamente, die voll reinhauen.«
»Aber so was von.«
»Valium?«
»Nein.«
»Prozac?«
»Nein.«
»Ritalin?«
»Ja.«
»Punkt für mich!«
»Das ist schon alt. Das hab ich mit dreizehn bekommen. Damals sagten sie mir, ich sei hyperaktiv. Und dann, eines Tages, habe ich alle Lampen in unserem Haus kaputt geschlagen und die auf der Straße auch noch, weil ich Angst hatte, das Licht würde irgendetwas Fieses aus dem All anlocken. So was wie Monstermotten oder so. Da hieß es dann, ich hätte eine Angststörung , glaubt man’s denn, und sie gaben mir Xanax. Dämliche Ärzte.«
Wyatt amüsierte sich prächtig. »Weltraummotten?«
»Mach dich nicht über mich lustig, Wyatt. Ich weiß noch, dass ich im Dunklen Park dachte, du wärst ein Roboter. Ich weiß noch, dass ich dich mit der Machete aufschlitzen wollte, um den Motor mit meinen eigenen Augen zu sehen.«
Sein Blick sprach Bände.
Ich seufzte. »Wahrscheinlich hätte ich das nicht laut sagen sollen.«
Er lachte laut. »Verdammt! Du bist verrückt! Wirklich.«
»Ja, aber es ist okay«, versicherte ich ihm und zeigte ihm meinen Notfallvorrat an Pillen, den ich in der Tasche hatte. »Das nehme ich jetzt. Lithium. Und das ist Seroquel. Die Tabletten helfen mir, ruhig und ausgeglichen zu bleiben.« Natürlich nur, wenn ich sie nahm.
Wann hatte ich sie zuletzt genommen? Nicht mehr seit Rosalee mir gesagt hatte, ich sollte sie nehmen, und das war bestimmt schon eine Woche her. Ich wartete so gerne, bis sie darauf bestand, dass ich sie nahm. Hoffentlich musste ich nicht mehr lange darauf warten.
Wyatt kicherte immer noch und schüttelte den Kopf. »So vieles ergibt jetzt endlich Sinn.«
Ich rückte meinen Stuhl neben den von Wyatt, damit ich ihn richtig dafür küssen konnte, dass er lachte, statt vor mir davonzulaufen. Sein Mund schmeckte süßsäuerlich von den Krabben.
»Viele meiner alten Freunde haben mich im Stich gelassen, als sie es herausfanden«, sagte ich ihm. »Ich bin froh, dass du nicht so bist.«
»Oh Gott, ich kann wohl kaum den ersten Stein werfen«, sagte er und küsste mein Ohr. »Ich bin nur teilweise menschlich. Pop hat gesagt, er hätte dir davon erzählt?«
»Du hättest es mir erzählen können. Du weißt, dass ich Freaks mag.«
»Okay, und wie freaky ist das?« Er hielt seine Hand unter den Tisch, aber so, dass ich sie sehen konnte. Ich japste auf, als sich die Haut auflöste, bis zu seinem Handgelenk zurückzog und die Knochen seiner Hand freilegte.
Wyatts Knochen waren glänzend und schwarz. Wie der SCHLÜSSEL .
Ein paar Sekunden später war seine Hand wieder heil und normal. Zumindest sah sie normal aus .
»Zum Glück hast du mich, du Freak«, sagte ich und ließ meine Hand über seinen stacheligen Schädel gleiten. »Wer sonst würde es mit dir aushalten?«
»Ich.«
Petra stand neben unserem Tisch und hielt eine Glasschüssel mit Erdbeereis fest, die viel zu groß für ihre dünnen Hände war. Sie sah mich böse an. » Jeder würde es. Lass dich von ihr nicht schlechtmachen, Wyatt.«
Wyatt sah ganz gerührt aus. »Du verteidigst mich, Pet?«
Sie setzte sich zu uns an den Tisch, als wäre sie dazu aufgefordert worden, und machte Wyatt schöne Augen. »Freunde achten aufeinander, nicht wahr?«
Er saß hier mit mir, hatte seinen Arm um mich gelegt, und es war, als wäre ich gar nicht da.
Petra bemerkte meine Pillenfläschchen auf dem Tisch und schnappte sich eins. »Lithium?«, las sie schockiert. »Ich dachte, dieses Zeug bekommen nur die Irren.« Sie warf mir einen fiesen Blick zu. »Bist du eine Irre?«
Ich riss ihr die Flasche aus der Hand. »Absolut.« Da es Rosalee und Wyatt egal war, war mir nun auch egal, was andere Leute dachten.
Petra sah Wyatt an. »Also darauf stehst du jetzt? Auf Irre?«
»Kann man so sagen«, sagte er und lächelte mich an. »Aber ich wusste, dass sie verrückt ist, als sie mich bat, sie mit zur Jagd zu nehmen.«
»Hör auf.« Petra richtete einen erstaunten Blick auf mich. »Du warst bei einer Jagd?«
»Letzte Nacht«, sagte ich und war wieder besänftigt.
Während sie mich fasziniert anstarrte und ihr Löffel schon auf halbem Weg zum Mund war, sah ich den Milchwurm, der sich durch die blubbernde Menge Eiscreme wand. Ich wollte ihr den Löffel entreißen, aber sie ließ ihn
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