Bleep - oder wie man Spiritualität mit 3 Whisky-Cola verbindet
Augenzeugenberichte bei einem Unfall. Je mehr Zeugen anwesend sind, desto mehr Versionen gibt es von dem, was geschehen ist. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit festzustellen, was tatsächlich geschehen ist? Oder denken Sie nur an ein Fußballspiel. Zwei Spieler rennen aufeinander zu, einer geht zu Boden. Für die Anhänger des gestürzten Spielers ist es offensichtlich, dass er vom anderen böse gefoult wurde, für die Anhänger des anderen Spielers ist ebenso klar, dass er ganz offensichtlich eine »Schwalbe« gemacht hat. Wo liegt die Wahrheit? Auch nach einer Videoanalyse werden beide Parteien auf ihrer Sichtweise beharren, weil sie emotional involviert sind.
Der berühmte Altmeister des japanischen Kinos, Akira Kurosawa, hat dieses Phänomen schon 1950 auf geniale Weise in seinem Filmklassiker Rashomon verarbeitet. Im Film geht es um die Darstellung der Vergewaltigung einer Frau und der Ermordung ihres Mannes, eines Samurais. Jeder der Beteiligten und Zeugen schildert den Vorfall aus seiner Sicht, sodass der Zuschauer letztlich mit der Frage konfrontiert wird, ob es so etwas wie eine Wahrheit überhaupt gibt.
Im Jahr 2008 zog Hollywood nach. Regisseur Pete Travis brachte mit 8 Blickwinkel einen genialen Film auf die Leinwand, bei dem dieselbe Szene immer wieder aus acht verschiedenen Blickwinkeln gefilmt wird und der Zuschauer jedes Mal zu einer völlig neuen Interpretation der Situation gelangt.
Wenn vier Menschen an einem Tisch sitzen und sich ein Objekt wie zum Beispiel eine Tasse anschauen, dann bleibt das Objekt zwar das Objekt, aber die Sichtweise der vier Menschen ist jeweils eine andere. Obwohl sich alle vier einig sind und sagen werden: »Das ist eine Tasse«, haben sie doch keine Möglichkeit herauszufinden, was die anderen eigentlich unter einer Tasse verstehen. Wenn jeder von ihnen die Tasse beschreiben soll, kommen vier unterschiedliche Beschreibungen dabei heraus.
In der Sache herrscht anscheinend Einigkeit: Die Tasse hat einen Henkel, ist aus Porzellan gemacht, hat einen Boden, Wände und oben eine Öffnung, damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten aber schon. Denn was ist ein Henkel? Was ist Porzellan? Worin besteht der Nutzen einer Tasse? Der alte chinesische Weise Laozi (Laotse), der Verfasser des berühmten Daodejing (Tao te ching) , sagt über Gefäße wie zum Beispiel eine Tasse: »Ton knetend formt man Gefäße. Doch erst ihr Hohlraum, das Nichts, ermöglicht die Füllung. Das Sichtbare, das Seiende, gibt dem Werk die Form. Das Unsichtbare, das Nichts, gibt ihm Wesen und Sinn.« Auf unsere Tasse übertragen bedeutet das: So sehr wir auch die Form der Tasse zu beschreiben versuchen, so besteht doch ihr Wesen in dem, was sich nicht beschreiben lässt.
Wenn die vier Beobachter beschreiben sollen, was sie aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln sehen, kommt möglicherweise schon bald Streit auf. Auf der einen Seite der Tasse befindet sich vielleicht eine Blume, die der Beobachter auf der anderen Seite nicht sehen kann. Dafür ist auf einer anderen Seite ein kleiner Sprung, den die anderen nicht sehen können, und so weiter. Jeder sieht eben etwas anderes – je nach Blickwinkel.
Realität ist formbar
Allein daraus können wir schon schließen, dass die Wahrheit nicht – wie der Fußballlehrer Otto Rehhagel einst meinte – auf dem Platz liegt, sondern dass die Wahrheit immer sehr differenziert zu betrachten ist. Das gilt auch für die Religionen, denn aus ihrer Sicht und nach ihrer eigenen Logik hat jede Religion mit dem, was sie verkündet, recht. Tragisch ist nur, dass dieses »Recht« im Laufe der Jahrtausende immer wieder zu Krieg und Ge walt geführt hat, weil die Vertreter der verschiedenen Religionen außerstande waren, über ihren eigenen Teller rand hinauszublicken und die Wahrheit in den anderen Religionen ebenfalls zu sehen.
Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit. Jeder Mensch kann seine Realität durch seine Gedanken formen.
What the bleep do we (k)now sagt also aus: »Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit. Jeder Mensch kann seine Realität durch seine Gedanken formen.« Das wird im Film von wissenschaftlicher Seite bestätigt. Der amerikanische Physiker Fred Alan Wolf sagt beispielsweise: »Es gibt draußen kein ›da draußen‹ unabhängig von dem, was ›hier drinnen‹ abläuft.«
Wenn wir also akzeptieren, dass die Realität formbar ist und dass sie durch unsere Gedanken geformt wird, dann sollten wir sehr gut darauf achten, was wir denken, was wir sagen und
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