Bleib bei mir – bleib in Sydney
unter normalen Umständen bedeutet, dass sie warten müssen ... lange warten müssen."
Aus diesen letzten Worten sprach grimmige Genugtuung. Zum ersten Mal gewann Leigh den Eindruck einer tiefen Feindseligkeit gegenüber ihrer Familie, die Richard zuvor nie hatte ahnen lassen.
"Sie werden warten müssen, bis wir einen Sohn haben", fuhr er nun fast genüsslich fort,
"was sehr lange dauern kann. Und angesichts der Erfahrungen deiner Mutter, die fünf Töchter geboren hat, ist ihnen allen sehr bewusst, dass der ersehnte Fall auch niemals eintreten könnte."
"Aber würde das nicht auch für deine Ziele ,niemals' bedeuten?" fragte Leigh vorsichtig.
Er lächelte verächtlich. "Früher oder später werden deine Schwestern nicht mehr auf ihr Erbe warten wollen. Die eine oder andere wird geneigt sein, mir die Stimmenanteile der Aktien, an die sie nicht herankann, zu verkaufen. Als einziger Testamentsvollstrecker steht es mir zu, ihnen dieses Angebot zu machen."
Leigh musste an das denken, was Caroline ihr gesagt hatte ... die Vermutungen, die Andeutungen ... "Wir tanzen nach seiner Pfeife ... und jetzt auch nach deiner ... Der alleinige Testaments-Vollstrecker ... hat die Macht und die Finanzen in der Hand ... Zu welchem Preis?"
"Wirst du ihnen ein faires Angebot machen?" fragte sie angsterfüllt. Die Vorstellung, dass Richard seine Position in niederträchtiger Weise ausnutzen könnte, war ihr unerträglich.
Wenn er wirklich "vom gleichen Schlag" wie Lawrence Durant war, wollte und konnte sie nicht mit ihm zusammenleben.
Er sah sie überrascht an. "Unbedingt."
Leigh atmete auf.
"Ich würde doch nicht das Risiko gerichtlicher Anfechtungen eingehen", fügte Richard hinzu.
Der Pragmatiker, der alles bedachte. Doch Leigh hatte kein Recht, ihn zu kritisieren.
Lawrence hatte dieses abscheuliche Testament hinterlassen, nicht Richard, und indem er sie geheiratet hatte, hatte Richard die Bedingungen des Testaments - mit ihrem Einverständnis -
bereits unterlaufen.
Gerechtigkeit für sie, das war sein überzeugendes Argument gewesen. Doch inzwischen argwöhnte Leigh, dass Richard eine ganz eigene Vorstellung von Gerechtigkeit im Sinn haben könnte. Der zärtliche Liebhaber hatte wieder dem Jäger Platz gemacht.
Der Blick, mit dem er sie prüfend ansah, war scharf und entschlossen. Stolz beherrschte seine markanten Züge. Er schien zu spüren, dass Leigh Zweifel an seiner Vorgehensweise hegte. "Warum sorgst du dich um deine Schwestern? Haben sie sich je um dich gekümmert?"
"Nein", räumte sie ein.
Seine Miene wurde hart. "Sie sind im Haus ihres Vaters geblieben, weil sie auf ihr süßes Leben nicht verzichten wollten. Und sie sind immer noch Parasiten, die nach seinem Tod ein möglichst großes Stück von dem Kuchen abbekommen wollen. Lass sie los, Leigh, so wie sie dich haben gehen lassen."
Er hatte natürlich Recht. Doch Leigh konnte nicht so hart sein. "Denkst du so auch über deine Brüder?"
Er zuckte die Schultern. "Die beiden haben nicht nur von ihrem Vater schmarotzt, sondern sich ihr eigenes Leben aufgebaut. Das respektiere ich. Deine Schwestern haben nichts getan, was ich respektieren könnte. Nichts."
"Vielleicht hat der Vater deiner Brüder ihnen nicht alle Selbstachtung ausgetrieben", wandte Leigh ein. "Lawrence wollte Sklaven um sich haben, die sich seinem Willen bedingungslos fügten, Richard."
"Du warst doch auch nicht seine Sklavin. Deine Schwestern sahen die Vorteile, die es ihnen brachte, wenn sie sich ihm unterwarfen, und entschieden sich bewusst für diesen Weg."
"Vielleicht betrachteten sie es aber auch als einzigen Weg, um zu überleben."
"Der einfachste Weg", spottete Richard. "Sie haben erst gar nicht versucht, sich ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen. Sie blieben lieber auf der fetten Weide, die Lawrence ihnen bot. Und jede der vier hätte mich geheiratet, um sich diese fette Weide auch für die Zukunft zu sichern."
Leigh konnte es nicht abstreiten. Dennoch hatte sie Verständnis und Mitgefühl für ihre Schwestern, die von klein auf so erzogen und beeinflusst worden waren. Der bittere Preis, den sie dafür hatten bezahlen müssen, war der Verlust des Muts gewesen, für ihre eigenen Vorstellungen zu kämpfen.
"Du kannst nicht beurteilen, wie es für sie war in all den Jahren, bevor du sie kennen gelernt hast", versuchte sie ihre Schwestern zu verteidigen. "Der Unterschied zwischen mir und meinen Schwestern war, dass meine Mutter nie für mich Partei ergriff. Ich war isoliert,
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