Bleib bei mir – bleib in Sydney
Meer. Hier standen sie nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit, worüber Leigh sehr erleichtert war.
Sie konnten tun und lassen, was sie wollten und wann sie es wollten, ohne mit unerwünschten Eindringlingen oder Beobachtern rechnen zu müssen.
Die Tage waren lang und von sinnlicher Trägheit erfüllt. Leigh genoss die Nähe zu Richard und die knisternde Erotik zwischen ihnen, bei der schon ein Blick oder eine Berührung genügte, um das Feuer der Leidenschaft erne ut zu entfachen. Sie hätte sich das Zusammenleben eines frisch verheirateten Paars nicht perfekter vorstellen können. Körperlich herrschte vollkommene Harmonie, und ansonsten las Richard ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Da sie einen Mietwagen zur Verfügung hatten, fuhren sie gelegentlich in die eine kleine Stadt, die alle Inselbewohner mit dem Nötigsten versorgte. Den einen oder anderen Nachmittag verbrachten sie an dem schönen Strand in der Emily Bay und badeten im kristallklaren blauen Wasser der Lagune.
Eher zufällig ergab sich ein Ausflug in die Geschichte der Insel, weil Leigh spontan ein Interesse daran äußerte. Norfolk Island war einst eine berüchtigte Sträflingskolonie gewesen.
Die Strafgefangenen waren mit, Schiffen hierher gebracht worden und mussten unter einer grausamen Verwaltung ihr Leben fristen. Leigh erschien es wie eine schreckliche Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet diese idyllische Insel als Gefängnis benutzt worden war, doch ein Rundgang durch das Museum bewies, wie brutal und wirkungsvoll es funktioniert hatte.
"Es gab für die armen Teufel keinen Fluchtweg außer aufs Meer hinaus", sagte sie betroffen, als sie den Bericht über das traurige Schicksal eines Strafgefangenen gelesen hatte, der bei der versuchten Flucht im Meer ertrunken war. Offenbar hatte so mancher diesen Tod dem Leben unter dem grausamen Regime vorgezogen.
"Ja, wenn man das sieht, betrachtet man sein eigenes Leben plötzlich mit ganz anderen Augen", meinte Richard.
Leigh dachte über diese Bemerkung nach, als sie den Hügel hinunter zu den Ruinen des fünfeckigen Gefängnisbaus gingen, in dem die Strafgefangenen gehaust hatten. Die gepflegten georgianischen Häuschen, die die Gefangenen für die Verwaltungsbeamten hatten bauen müssen, standen immer noch in der Quality Row und waren auch noch bewohnt, aber an das Gefängnis erinnerten nur noch wenige düstere Ruinen.
Sechs Männer hatten auf engstem Raum in einer Zelle gehaust, wie Leigh gelesen hatte.
Kaum Platz zum Schlafen, kein Privatleben, kein Komfort, und die Enge schürte Aggressionen.
Leigh wagte sich kaum vorzustellen, was diese Männer durchlitten hatten. "Nun ja, ich denke, man kann Lawrence' Villa nicht gerade als Gefängnis bezeichnen ... jedenfalls nicht vergleichbar mit diesem", sagte sie nachdenklich. "Aber ich habe es wie eines empfunden."
"Du bist ihm erfolgreich entkommen, Leigh", sagte Richard anerkennend.
"Und was ist mit dir, Richard?" fragte sie neugierig. "Wie war deine Kindheit?"
Er zuckte die Schultern. "Einsam."
"Du hast doch zwei Brüder."
"Die mit mir gena uso wenig zu tun haben wollten wie deine Schwestern mit dir", erwiderte er spöttisch.
Leigh dachte an Clare Seymours ungläubigen Blick, als sie ihr gesagt hatte, Richard sei liebenswürdig. "Waren sie gemein zu dir?"
"Nicht besonders. Die meiste Zeit wurde ich ignoriert."
Richards schroffer Ton verriet, dass er eigentlich nicht über diesen Abschnitt seines Lebens reden wollte, doch Leigh konnte der Versuchung nicht widerstehen, mehr über ihn zu erfahren. "Und warum?"
"Sie waren älter, es gab keine gemeinsamen Interessen. Nach der Scheidung unserer Eltern zogen sie zu ihrem Vater. Sie hatten einfach keine Zeit für mich. Das war eben so." Es war jetzt deutlich zu hören, dass Richard dieses Thema lieber nicht weiterverfolgen wollte.
Doch Leigh gab sich nicht so schnell geschlagen. Es war ihr zu wichtig, mehr über den Mann zu erfahren, den sie geheiratet hatte. "Wie alt warst du bei der Scheidung?"
"Sieben."
"Und du bist bei deiner Mutter geblieben?"
"Nicht direkt. Ich wurde in einem Internat untergebracht."
"Mit sieben Jahren?"
"Aus den Augen, aus dem Sinn", sagte Richard zynisch.
"Warum?"
Sein Blick wurde kalt. "Meine Mutter meinte, ich hätte ihr Leben zerstört. Sie war von dem Mann, den sie begehrte, schwanger geworden, doch der hatte nicht die Absicht, sich ihretwegen von seiner Frau scheiden zu lassen, und ließ meine Mutter sitzen. Und ihr Mann ließ sich von ihr
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