Bleib bei mir – bleib in Sydney
scheiden, als er herausfand, dass ich nicht von ihm war."
"Hast du zu dem Zeitpunkt auch erfahren, wer dein richtiger Vater ist? Mit sieben?"
"Ja."
Leigh war entsetzt bei der Vorstellung, dass ein kleines Kind von sieben Jahren eine ähnliche Szene erlebt hatte wie die, die sie mit achtzehn Jahren so tief erschüttert hatte.
Immerhin war sie damals alt genug gewesen, um allein zurechtzukommen. Richard war einfach abgeschoben worden.
"War das Internat wie ein Gefängnis?" fragte sie mitfühlend.
Richard blickte an den Ruinen vorbei über den felsigen Strand aufs Meer hinaus. Hatte er damals auch nach einem Fluchtweg gesucht? "Es war nicht allzu übel", sagte er langsam,
"vorausgesetzt, man gehörte zu den Besten ... im Sport und auch in den übrigen Fächern. Es ging nur darum, an die Spitze der Hackordnung zu gelangen." Ein verächtliches Lächeln huschte über sein Gesicht. "Dann war einem der Respekt aller sicher: der Lehrer, der Mitschüler und vor allem der Eltern der Mitschüler."
Leigh musste nicht fragen, ob er es an die Spitze geschafft hatte. Sein athletischer Körper und seine erfolgreiche Karriere bis hin zum Chef des Durant-Imperiums waren Antwort genug. Zweifellos war er in der Schule und später auf der Universität ein ungekrönter König gewesen. Sie verstand nun, warum er so bestrebt war, nichts aus der Hand zu geben und stets die Kontrolle über alle Bereiche seines Lebens zu bewahren.
"Warum hast du deine Mutter zu unserer Hochzeit eingeladen?"
Richard wandte sich ihr wieder zu. Seine Augen blickten hart. "Weil sie meine Mutter ist, ob es ihr gefällt oder nicht."
Eine Art Hassliebe? Seltsam, weder Richard noch sie, Leigh, schienen fähig, sich ganz von den Frauen zu lösen, die sie geboren hatten. Tief im Innern klammerten sie sich daran, dass es da irgendeine Art von Verbundenheit geben müsse.
"Was glaubst du, warum sie gekommen ist?" fragte Leigh. Clare Seymours Bemerkungen hatten doch eher feindselig und verbittert gewirkt.
"Weil sie so etwas wie perverse Befriedigung aus meinem Erfolg zieht", antwortete er spöttisch.
Es war genauso wie bei ihrer Mutter.
Leigh fühlte eine wachsende Bedrückung, als sie zusammen mit Richard auf das
"Hangman's Gate" zuging, den steinernen Torbogen, der zum ehemaligen Hinrichtungsplatz des Gefängnisses führte. Die schreckliche Vorstellung, wie viele Leben an diesem Ort ausgelöscht worden waren, belastete sie zusätzlich, als sie darüber nachdachte, wie sehr ihr und Richards Leben unter dem Ehrgeiz anderer hatte leiden müssen.
Zumindest hatte Richard sich aus all den Zurückweisungen, die seine Selbstachtung hätten zerstören können, als Sieger erhoben - aber auch er hatte offensichtlich Narben davongetragen. Sein Wunsch nach einer eigenen Familie war genauso stark wie ihrer. Sie fragte sich, ob sie vielleicht sogar schon schwanger war. Falls nicht, nahmen sie und Richard jedenfalls jede Chance wahr.
Sie blickte Richard forschend an. Dachte er vielleicht jedes Mal daran, wenn sie sich liebten? Stand hinter seiner Leidenschaft ein ganz bestimmter Zweck?
Richard bemerkte ihren Blick. "Was ist?"
"Wie beabsichtigst du, den Konzern zu übernehmen, wenn wir keinen Sohn bekommen?"
fragte sie impulsiv.
"Es gibt Mittel und Wege", antwortete er ausweichend.
"Dann nenn sie mir."
"Überlass das mir, Leigh."
Sie hielt ihn am Arm fest und blickte ihn flehentlich an. "Ich will mich nicht schuldig fühlen, falls ich eine Tochter bekomme. Bitte, Richard ... ich möchte es wissen."
"Es gibt keinen Grund, dich schuldig zu fühlen", sagte er sofort. "Wir sind verheiratet. Wir werden ein Kind haben. Das beweist unsere Absicht, die Bedingungen in Lawrence'
Testament zu erfüllen. Ob dieses Kind nun ein Sohn oder eine Tochter ist, fällt nicht ins Gewicht. Ich bin der alleinige Testamentsvollstrecker."
Leigh horchte auf. Caroline hatte die Tatsache, dass Richard der alleinige Testamentsvollstrecker war, in einer Weise erwähnt, die nahe legte, dass damit eine gewisse Macht über ihre Familie verbunden sei. Aber wie? Sie schüttelte den Kopf. "Ich verstehe das nicht. Wie kannst du das hinbiegen?"
"Es muss dich nicht kümmern, Leigh."
Doch so leicht ließ sie sich nicht abwimmeln. "Ich möchte, dass du es mir erklärst."
Er seufzte gereizt. "Nun gut. Lawrence' Testament kann nicht eher vom Gericht bestätigt werden, bis alle Bedingungen erfüllt sind. Deine Mutter und deine Schwestern können aber erst nach der Bestätigung an ihr Erbe gelangen. Was
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