Bleib cool Samantha
von seiner Filmsammlung erzählt, die unglaublich groß ist und hauptsächlich aus alten Schwarz-Weiß-Filmen besteht.
»Ah ja«, sagte er zufrieden, als ich ihm die DVD hinhielt, die wir für ihn zurückgelegt hatten. »›Sie küssten und sie schlugen ihn‹, genau. Sie haben ihn natürlich gesehen, oder?«
»Klar«, behauptete ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, was für ein Film das war. »Das macht dann vierzehn Dollar neunundsiebzig.«
»Einer der besten Filme, die Truffaut je gemacht hat«, schwärmte Mr Wade. »Ich habe ihn natürlich schon auf Video, aber das ist einer dieser Filme, die man gar nicht oft genug haben kann…«
»Danke«, sagte ich, nahm das Geld entgegen, packte die DVD ein und reichte ihm die Tüte.
»Ein wirklich packender Film«, schwärmte Mr Wade ungerührt weiter. »Ein Meisterwerk, unglaublich ergreifend…«
»Wie groß war der Schniedel von dem Typen denn?«, fragte Dauntra mich mit künstlich unschuldiger Stimme.
Mr Wade sah plötzlich erschrocken aus, schnappte sich seine Tüte und floh aus dem Laden.
»Bis zum nächsten Mal!«, rief Dauntra ihm hinterher, und wir beide brachen kichernd hinter der Theke zusammen.
»Was war los?«, fragte Stan misstrauisch, der mit einem Mal hinter dem Regal mit den Western hervorkam.
»Nichts«, sagte ich und wischte mir die Lachtränen aus den Augen.
»Mr Wade war so begeistert von seiner neuen DVD, dass er sofort nach Hause wollte, um sie sich anzusehen«, log Dauntra seelenruhig.
Stan sah trotzdem nicht so aus, als würde er uns glauben.
»Madison«, sagte er zu mir. »Vorhin waren ein paar Anime-Fans da und haben die ganzen DVDs von ›Neon Genesis Evangelion‹ durcheinandergebracht. Kümmere dich mal darum.«
Ich nickte, schob mich hinter der Theke hervor und verzog mich zum Anime-Regal.
Nachdem die nach dem Abendessen hereinströmenden Kunden alle mit Sehstoff versorgt waren und es wieder ruhiger wurde, vertiefte sich Dauntra in das nächste Mangaheft, und ich kramte die Unterlagen hervor, die mir der Pressechef des Weißen Hauses zur Vorbereitung auf meinen Fernsehauftritt gegeben hatte.
»Was liest du denn da?«, erkundigte sich Dauntra.
»Ach, bloß so Zeug, das ich für meinen Auftritt bei MTV nächste Woche lesen muss«, sagte ich. »Für die Diskussionsrunde in unserer Schule.«
Dauntra verzog das Gesicht, als hätte sie plötzlich einen ekligen Geschmack im Mund. »Diese bescheuerte Kampagne über die Rückkehr zu den Familienwerten, meinst du?«
Ich sah sie verwundert an. »Wieso bescheuert? Ich finde das schon gut und wichtig.«
»Ja, klar«, sagte Dauntra höhnisch. »Wenn du meinst. Oh Mann, Sam. Ekelt es dich manchmal nicht selbst, dass sie dich so vor ihren Karren spannen.«
»Vor ihren Karren spannen? Inwiefern denn?«
»Der Präsident nutzt dich doch bloß aus«, sagte Dauntra, »um die Jugend Amerikas für seine faschistische Initiative zu begeistern.«
»Die Rückkehr zu den Familienwerten ist nicht faschistisch«, verteidigte ich mich. Ich erwähnte nicht, dass ich mit meinem Job als Jugendbotschafterin selbst nicht so glücklich war, ihn aber auch nicht einfach hinschmeißen konnte. Sonst würde die Beziehung zu den Eltern meines Freundes einen empfindlichen Knacks erleiden. »Es geht darum, dass Eltern und Kinder wieder mehr Zeit miteinander verbringen sollen. Du weißt schon, einen Abend mal nicht zum Fußballtraining gehen oder vor der Glotze sitzen, sondern was zusammen machen und wieder mal miteinander reden.«
»Ja, klar«, sagte Dauntra abfällig. »Oberflächlich betrachtet geht es darum.«
»Wovon redest du?« Ich wedelte mit den Unterlagen. »Hier. Da steht alles drin. Die Kampagne ›Rückkehr zur Familie‹ soll…«
»…die Leute dazu bringen, einen Abend mal auf ihre geistlosen Telenovelas zu verzichten und miteinander zu reden«, beendete Dauntra den Satz für mich. »Schon klar. Aber das ist doch nur der Teil ihres Plans, in den sie dich einweihen.Was ist mit dem Rest? Der Teil,von dem sie dir nichts erzählen… noch nicht.«
»Weißt du was?«, sagte ich. »Du bist paranoid. Du hast zu oft den Film mit Mel Gibson gesehen.«
»Fletchers Visionen« ist ein Film über Verschwörungstheorien, den wir in der Videothek am liebsten laufen lassen. Stan findet das gar nicht gut, weil Dauntra und ich, sobald Mel und Julia Roberts sich küssen oder kurz davor sind, immer alles stehen und liegen lassen und verzückt auf den Bildschirm starren.
»Ja, und? Hatte er recht oder nicht?«,
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