Bleib cool Samantha
vorbereitet. Ich wusste genau, was ich sagen würde. »David«, würde ich sagen und ihm dabei zärtlich in die Augen sehen. »Du weißt, dass ich dich liebe. Und ich weiß, dass ich vor ein paar Tagen im Fernsehen gesagt habe, dass ich Ja zum Sex gesagt hätte. Aber ehrlich gesagt bin ich noch nicht bereit dazu. Ich weiß, dass du mich so sehr liebst, dass du das verstehen wirst. Denn das ist es, was wahre Liebe ausmacht: warten zu können.«
Den letzten Satz hatte ich auf einer Anstecknadel entdeckt, den die Mädels vom »Richtigen Weg« vor ein paar Wochen während der Mittagspause in der Cafeteria verteilt hatten. Es war ein Button in Herzform, auf dem stand: »Liebe ist… warten zu können.« Damals hatte ich Catherine nur angesehen, mir den Finger in den Mund gesteckt und Kotzgeräusche gemacht.
Aber jetzt verstand ich, wie wahr dieser Satz war.
Ich wünschte, ich hätte den Button nicht in die Videothek mitgenommen und der Actionfigur von Sally aus »Nightmare before Christmas« an den Busen gepinnt. Ich hätte ihn jetzt nämlich echt gut gebrauchen können. Ich hätte ihn David gern überreicht, als Symbol dafür, dass ich eines Tages mit ihm schlafen würde. Eines Tages irgendwann, nicht heute.
Ich malte mir aus, wie ich ihm den Anstecker in die Hand drücken und dazu irgendwas Anrührendes sagen würde. Vielleicht so was wie: »Hey, ihr da auf der anderen Seite. Lasst ihn gehen. Denn für ihn komme ich auf eure Seite und das habt ihr dann davon.«
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese Situation geradezu nach einem Zitat aus »Hellboy« schrie.
Ich war jedenfalls gewappnet. Ich hatte mir die Zähne geputzt – damit er sich nicht vor meinem eventuellen Mundgeruch ekelte, wenn ich ihn sanft abweisen würde – und hatte meinen Pickel eingehend untersucht. Keine Verbesserung. Das Gute war aber, dass man ihn immer noch nicht sah. Ich konnte ihn fühlen, er pochte fies unter der Haut und tat richtig weh, aber ich musste ihn nicht mit Abdeckstift kaschieren. Wobei ich normalerweise sowieso nicht so stark geschminkt bin, ich benutze nur Wimperntusche, eine leicht getönte Tagescreme und einen Hauch von Lipgloss. Ich hatte entschieden, mich nicht abzuschminken, damit wenigstens meine Wimpern dieselbe Farbe hätten wie meine Haare, wenn ich David sanft klarmachen würde, dass ich keinen Sex mit ihm haben würde. Ich weiß auch nicht, ich hatte einfach das Gefühl, dass ich für das große Nein-zum-Sex-Gespräch so gut wie möglich aussehen sollte. Obwohl David mich schon sehr oft gesehen hat, wenn ich echt schlecht aussah.
Ja, ich war gewappnet. Ich wartete. Fehlte nur noch einer.
David.
Wo steckte er bloß? Es war jetzt schon fast eine Stunde her, seit er mich zu meinem Zimmer begleitet hatte. Mittlerweile war es schon fast halb eins.
Plötzlich wurde mir wieder flau im Magen, aber anders.
Hatte David etwa seine Meinung geändert? Hatte ich irgendwas gesagt oder getan, und er hatte die Lust verloren, mit mir zu schlafen? Lag es an meinem Pickel? War er ihm doch aufgefallen?
Andererseits erschien es mir höchst unwahrscheinlich, dass ein Junge keine Lust mehr haben könnte, mit seiner Freundin zu schlafen, bloß weil sie einen Pickel hatte.
Hallo? Was war denn auf einmal mit mir los? Ich wollte doch gar nicht mit ihm schlafen. Wozu machte ich mir überhaupt solche Gedanken?
Hatte es einen anderen Grund? Lag es daran, was ich während der Diskussionsrunde gesagt hatte? O Gott, hatte ich dadurch, dass ich im Fernsehen meine Bereitschaft zum Sex verkündet hatte, vielleicht irgendwie die Spontaneität des Moments zerstört? In der »Cosmopolitan« steht ja auch immer, dass spontaner Sex der beste ist. Hatte ich es dadurch irgendwie vermasselt?
Wenn ja, was dann?
Umso besser. Ich wollte ja sowieso nicht.
Außerdem erschien es mir sowieso nicht sonderlich wahrscheinlich. Sex war für Jungs keine so große Sache wie für Mädchen. Wenigstens hatte ich diesen Eindruck gewonnen. Jungs wollen immer alle nur Sex.
Und sie zerbrechen sich darüber vorher nicht so den Kopf wie wir. Sie machen es einfach. Das weiß jeder, der Filme wie »American Pie« gesehen hat.
Aber wo blieb er? Die Warterei machte mich noch wahnsinnig. Ich wollte ihm doch bloß sagen, dass ich es nicht tun würde, und die Sache hinter mich bringen.
Ich wartete weitere fünf Minuten – keine Spur von David.
Und wenn ihm etwas passiert war? Was, wenn er in der Dusche ausgerutscht war, sich den Kopf angestoßen hatte und jetzt
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