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Bleib doch, liebes Hausgespenst!

Bleib doch, liebes Hausgespenst!

Titel: Bleib doch, liebes Hausgespenst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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fragte, ob die anderen bei diesem immerhin noch gewaltigen Krach wirklich schlafen konnten — , öffnete sie die Tür zum Dachboden und stieg die schmale Treppe hinauf. Einige Stufen krachten, aber das Geräusch ging in den vielen anderen unter. Im Stockdusteren tastete sie sich nach oben. Sie hatte keine Angst, denn sie wußte, es war ausgeschlossen, daß ein Bösewicht sich hier irgendwo versteckt hielt. Amadeus aber kannte sie zu gut, als daß sie sich vor ihm gefürchtet hätte.
    Es war eine mondlose Nacht, der Himmel war immer noch von dichten Wolken verhangen, und nicht der zarteste Lichtschimmer fiel auf den Dachboden, der die Breite des ganzen Hauses einnahm. Auch das störte Monika nicht. Sie wußte ohnehin, daß der Dachboden leer war. Als die Schmidts in das Haus am Seerosenteich eingezogen waren, hatte er voll von altem Gerümpel gestanden. Herr Schmidt hatte alles ausräumen lassen, weil er geglaubt hatte, die seltsamen Geräusche im Haus hätten eben mit diesen ausrangierten Möbeln zu tun gehabt. Inzwischen wußten alle, daß dem nicht so war. Jetzt spannten sich hier oben nur noch einige Wäscheleinen, unter denen Monika, ohne sich zu bücken, durchgehen konnte. Frau Schmidt pflegte bei schlechtem Wetter ihre Wäsche hier aufzuhängen.
    Monika machte einige Schritte, bis sie mit dem Fuß gegen ein Ding stieß, das sich wegschieben ließ. Sie bückte sich und ertastete einen Wäschekorb aus Plastik. Sie drehte ihn um und ließ sich darauf nieder. Sie konnte immerhin die nächsten Dachsparren erkennen und die Luke, vor der der finstere Himmel stand.
    „Amadeus!“ rief sie. „Lieber Amadeus! Hör doch bitte auf herumzurumoren! Komm zu mir. Ich muß mit dir sprechen.“
    Amadeus meldete sich nicht.
    „Wir sind doch Freunde, Amadeus!“ beschwor Monika ihn weiter. „Oder sind wir das nicht? Glaubst du etwa, daß du meine Freundschaft nicht mehr nötig hast?“
    Daraufhin wurde es immerhin still im Haus.
    „Amadeus!“ rief Monika ein drittes Mal. „Komm endlich zu mir! Laß dich blicken!“
    Ein kalter Luftzug ließ sie frösteln. Aber sie nahm ihn als gutes Zeichen dafür, daß Amadeus jetzt in ihrer Nähe war. Dann glaubte sie etwas zu erblicken und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Sie war nicht sicher, ob sie sich nicht täuschte. Aber ja, da war doch etwas! Ein heller Punkt, der sich ständig drehte und dabei größer und größer wurde, bis er etwa den Umfang eines Fußballs erreichte. Er strahlte ein kaltes, weißes Licht aus.
    „Hübsch!“ sagte Monika anerkennend. „Das ist ein guter Trick, Amadeus! Aber in natura gefällst du mir besser. Mit einer Leuchtkugel kann ich doch nicht reden.“
    Die Erscheinung veränderte sich. Ihre Leuchtkraft nahm ab, ihre Umrisse verschwammen, es bildeten sich Ausläufer wie bei einem sehr dünnen Teig, der auseinanderfließt. Aus diesen zuerst formlosen Gebilden wurden Arme und Beine, Hals und Kopf, bis endlich der ganze Amadeus fertig war: eine Gestalt, die wie ein zwölfjähriger Junge wirkte. Er war sehr elegant gekleidet in einen hellblauen Seidenanzug mit langen Rockschößen. Die Hosen trug er unter dem Knie gebunden und an den Füßen schwarze Schuhe mit Silberschnallen. Aus dem Ausschnitt seiner Jacke und der Ärmel kräuselte sich ein gerüschtes Hemd, und seinen Kopf bedeckte eine weiße Perücke, deren Haar hinten zu einem Zöpfchen geflochten war. Sein Gesicht war hell und sehr fein geschnitten. Die großen, lang bewimperten Augen standen weit auseinander.
    Er war ein Gespenst, aber nein, Monika fand, daß sein Anblick ganz und gar nicht zum Fürchten war, wenn man einmal davon absah, daß er aus sich selbst heraus leuchtete.
    ..Amadeus!“ rief sie...Wie schön...“
    Er unterbrach sie mit mißmutigem Gesicht. „Warum schreist du denn so?“
    „Weil ich mich freue!“
    „Du hast aber auch vorhin so geschrien!“
    „Weil ich wollte, daß du mich hörst... bei allem Krach, den du gemacht hast.“
    „Soll das etwa eine Beschwerde sein?“
    Monika nahm allen Mut zusammen.
    „Ja“, erklärte sie mit fester Stimme, „du hast unsere Abmachung gebrochen.“
    Amadeus zupfte sich die Spitzenmanschetten zurecht. „Ich ahne nicht, wovon du sprichst.“
    „Tu doch nicht so! Du weißt genau, wir hatten ausgemacht, du würdest meine Familie nachts ruhig schlafen lassen... du würdest Unfug nur in Grenzen machen! Dafür wollte ich deine Freundin sein.“
    „Na und?“ Amadeus hob die dünnen, schön geschwungenen Augenbrauen.

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