Bleib für immer!: Roman (German Edition)
fassungslos.
»Was weißt du denn?«, frage ich.
Verzweifelt und verstört schüttelt sie den Kopf.
»Nicht viel. Also, ich habe den ganzen Abend lang SMS an Patrick geschrieben. Zuerst, weil ich mich nach unserem kleinen Knatsch wieder versöhnen wollte. Aber er hat einfach nicht reagiert. Und ich bin so sauer auf ihn geworden und … dann dachte ich, vielleicht ist er vor dem Fernseher eingeschlafen.«
Sie stockt und atmet tief ein.
»Und was weiter?«, frage ich.
»Also habe ich mir gesagt, vergiss es einfach und amüsier dich. Das habe ich dann auch. Ich bin mit Charlotte und zwei Typen auf die Tanzfläche gegangen.« Jetzt schnieft sie. »Aber als ich dann auf dem Klo war, habe ich gesehen, dass ich fünf Anrufe auf meinem Handy verpasst hatte.«
»Hat er denn auf die Mailbox gesprochen?«
Sie nickt. »Dasselbe, was auch in der SMS stand. Sehr knapp. Nur, dass Polly einen Unfall hatte und sie auf dem Weg ins Krankenhaus sind.«
»Vielleicht hat sie sich ja einfach nur den Arm verdreht oder so«, meine ich.
Grace sieht aus dem Fenster, ihre Lippen beben.
»Vielleicht aber auch nicht«, sagt sie.
Ich drücke ihre Hand.
»Weißt du«, fährt sie fort, »normalerweise ist Patrick die Besonnenheit in Person, wenn etwas passiert. Ich gerate in Panik, er bleibt ganz cool. So ist es einfach. Aber er klang nicht besonders cool, dieses Mal nicht.«
Obwohl meine rationale Seite beteuert, dass es wahrscheinlich nichts Schlimmes ist – ein gebrochener Arm, eine dicke Beule am Kopf -, befürchtet ein anderer Teil von mir, dass es möglicherweise aber doch schlimm sein könnte.
Ich arbeite erst ein knappes Jahr beim Daily Echo , aber in dieser Zeit habe ich schon über alle möglichen schrecklichen Dinge im Zusammenhang mit Kindern berichten müssen. Man geht einfach immer davon aus, dass solche Dinge anderen Leuten passieren. Nicht der Tochter der eigenen besten Freundin. Nicht Polly.
Trotz des beachtlichen Tempos, das unser Fahrer vorlegt, kommt mir die Fahrt endlos vor.
»Oh, Evie«, sagt Grace jetzt mit Tränen in den Augen. »Ich muss die ganze Zeit an all die Fragen denken, die Polly mir heute gestellt hat. Du weißt ja, wie sie ist. Ich wollte mir die Haare waschen, und sie fragte immer wieder, warum Hunde Schwänze haben. Weißt du, was ich geantwortet habe?«
Ich verneine.
»Ich sagte: ›Einfach so, Polly.‹ Was für eine Mutter sagt denn: ›Einfach so‹? Warum konnte ich mir keine Zeit nehmen, ihr vernünftig zu antworten?«
Sie bricht in Tränen aus, schluchzt unkontrolliert, bekommt kaum Luft. Ich rutsche näher zu ihr und lege ihr fest den Arm um die Schulter.
»Grace, sei nicht albern«, tröste ich sie, während das Taxi vor dem Krankenhaus anhält. »Du bist eine wunderbare Mutter. Und alles wird gut. Das weiß ich.«
Ich bete nur, dass ich recht habe.
43
I CH HOFFE, sie ist okay«, sagt der Taxifahrer zu mir, während Grace schon zur Pforte rennt. »Ich meine die kleine Tochter Ihrer Freundin.«
»Das hoffe ich auch.« Ich will ihm einen Zwanzigpfundschein geben.
»Nicht doch, ich will kein Geld«, sagt er.
»Aber es ist Freitagnacht«, wende ich ein.
»Gehen Sie nur zu Ihrer Freundin.« Er schiebt meine Hand weg.
Ich habe keine Zeit für Diskussionen.
»Meine Tochter wurde gerade in einem Krankenwagen gebracht«, höre ich Grace zu der Dame an der Pforte sagen. »Sie heißt Polly Cunningham.« Jetzt klingt sie merkwürdig ruhig.
»Einen Moment, bitte.« Die Frau ruft etwas auf ihrem Computer auf.
»Genau«, sagt sie dann. »Bitte hier rechts durch die Flügeltür und dann den Gang hinunter bis zum Schwesternzimmer. Dort kann man Ihnen weiterhelfen.«
Wir rasen den Gang hinunter, doch noch bevor wir am Ziel sind, kommt uns schon Patrick mit Scarlett in ihrem Maxi-Cosi entgegen.
»Patrick!«, schreit Grace und stürmt auf ihn zu.
»Ich wollte es gerade noch mal auf deinem Handy probieren«, sagt er. »Alles in Ordnung. Nur ein paar Schrammen und blaue Flecken, glauben sie, aber ansonsten völlig in Ordnung.«
Ich sehe Grace an, dass sie nicht weiß, ob sie ihn küssen oder schlagen soll.
Wie sich herausstellt, ist Polly die Treppe hinuntergefallen. Beziehungsweise war das wohl eher die Art von Stunt, für die Hollywoodstars sich doubeln lassen. Sie war in Graces und Patricks Schlafzimmer gegangen, wie sie es neuerdings gerne macht, wenn sie nachts aufwacht. Als keiner von beiden da war, hatte sie die tolle Idee, unten nach ihnen zu suchen.
Was an sich auch kein
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