Bleib für immer!: Roman (German Edition)
dir!«, ruft Jules und stürzt los, während Simon, der Chefredakteur, einen raschen Blick auf den Text wirft, bevor er an die Redaktionsassistenten weitergereicht wird.
Ich wende mich wieder meiner Pressemitteilung zu und seufze. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann Simon mich zuletzt gebeten hat, etwas für die aktuelle Ausgabe zu schreiben – etwas, das mein Adrenalin in Fahrt bringt. Um genau zu sein, kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wann Simon mir überhaupt ein Thema zugeteilt hat, das etwas anderes als einen Anfall von Narkolepsie auslösen würde.
»Ist bei dir!«, ruft Simon, woraufhin der Redaktionsassistent sich den Artikel vornimmt und eine Schlagzeile dafür komponiert.
Ich bin immer noch auf der Suche nach Inspiration, aber ich habe den leisen Verdacht, dass es mich mehr anregen würde, einem Eimer Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen.
»Also gut, Evie Hart«, brüllt Simon mir zu, nachdem er den letzten Text durchgewinkt hat. »Komm her.«
Mein Herz macht einen Satz. Vielleicht habe ich ihn ganz falsch eingeschätzt. Vielleicht gibt er mir jetzt gleich eine Superstory für die nächste Ausgabe. Vielleicht kann ich meinen Namen doch schon bald auf Seite eins lesen. Mann, das wär’s!
Ich stürme zu seinem Schreibtisch, Block und Stift erwartungsvoll gezückt.
»Also, Hart.« Er schafft es, in meinen Ausschnitt zu schielen und mich gleichzeitig so anzusehen, als wollte er mich umbringen. »Du musst mir bitte mal was erklären.«
Ich zögere. »Nämlich?«
»Warum man dir zuvorkommen konnte.«
»Wie bitte?« Jeder Artikel der letzten beiden Wochen rast mir durch den Kopf. »Ich meine, bei welcher Story?«
»Unser vierbeiniger Freund«, sagt Simon.
»Entschuldige bitte, aber ich kann dir nicht ganz folgen.«
» Das Schwein! «, brüllt er. Seine Miene bringt deutlich zum Ausdruck, dass ich eher Miss World werde, als heute eine heiße Exklusivreportage übertragen zu bekommen. » Das Italienisch sprechende Schwein .«
»Genauer gesagt, Französisch«, berichtige ich, doch ich spüre sofort, dass er das ungefähr so wichtig findet wie die Lieblingsfarbe des Tiers.
»Ist mir scheißegal, und wenn es Swahili war«, schreit er und knallt eine Zeitung vor mir auf den Tisch. »Es steht im Daily Star .«
Ich muss schlucken, als ich vor mir ein Bild von Lizzie und ihrem Besitzer sehe. Ich weiß nicht, wer von beiden selbstgefälliger aussieht.
»Du hattest doch gesagt, die Story wäre nicht so dringend«, sagt er.
»Das dachte ich ja auch«, stottere ich.
»Hast du ihn nicht gefragt, ob er auch mit den Überregionalen in Kontakt ist?«
Ich krame das Gespräch mit dem Bauern aus dem Gedächtnis und überlege einen Moment, ob Lügen mich hier weiterbringt. Moralisch gesehen hätte ich keinerlei Bedenken, Simon anzuschwindeln, der in meinen Augen ungefähr so viel Charme hat wie eine Kanalratte. Nur ist das leider nicht gerade meine Stärke. Ich bin ungefähr so überzeugend im Lügen wie im olympischen Speerwerfen.
»Er hat so was erwähnt«, gebe ich schließlich zu und hasse mich für meinen kleinlauten Tonfall. »Aber ich muss gestehen, dass ich ihm nicht geglaubt habe. Ich hätte nicht gedacht, dass die großen Zeitungen sich dafür interessieren, wenn das Schwein nicht gerade die komplette Marseillaise auswendig kann.«
Simon schüttelt den Kopf, und ich fühle mich, als stünde ich zum vierten Mal in dieser Woche vor dem Schuldirektor.
»Hör mir mal zu, Mädel«, sagt er und sieht mir wieder in den Ausschnitt. »Du hast noch viel zu lernen. Und lass dir eins von mir gesagt sein, falls ich das noch nicht hinlänglich deutlich gemacht haben sollte: Ein sprechendes Schwein ist immer eine gute Story. Vor allem, wenn es mehr Talent für Sprachen hat als die Hälfte der Schulabgänger dieses Landes. Und jetzt geh mir aus den Augen.«
Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze, starre ich ein Loch in meinen Computerbildschirm. Ich koche vor Wut und male mir all die Dinge aus, die ich zu Simon hätte sagen können … aber nicht gesagt habe.
Na gut, ich habe Mist gebaut. In den Augen des Chefredakteurs katastrophalen Mist. Aber Daily Star hin oder her, es geht um ein sprechendes Schwein. Weder wird dadurch eine Regierung gestürzt noch die Erderwärmung aufgehalten. Außerdem habe ich den Artikel vor Wochen geschrieben. Kann ja sein, dass ich gesagt habe, er könne warten.
Aber ich meinte nicht bis Weihnachten 2009.
Mit meiner Pressemitteilung in der Hand leiste ich einen
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