Bleib für immer!: Roman (German Edition)
so passend wäre«, antworte ich und nehme eines der Gläser entgegen.
»Ach nein, ich dachte nicht an die Tische«, sagt sie. »Ich habe überlegt, ob ich mir daraus einen Kopfschmuck machen lassen könnte. Du weißt schon, so à la Moulin Rouge. Natürlich müsste er farblich zu meinem Kleid passen. Hab ich dir schon erzählt, dass ich mich für Grün entschieden habe?«
Ob die Scilly-Inseln für den Kleidungsstil meiner Mutter bereit waren, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ihr einzigartiger Sinn für Mode bricht sich heute mit voller Wucht Bahn.
Sie hat sich für einen violetten Poncho entschieden, dazu einen 60er-Jahre-Schlapphut und einen Rock, der so kurz ist, dass er eigentlich für eine Frau ihres Alters gesetzeswidrig sein sollte.
Das einzig Positive, was ich über dieses Ensemble sagen kann, ist, dass sie wenigstens einigermaßen anständige Beine hat. Schade nur, dass sie in eine orangefarbene Strumpfhose mit Paisleymuster gehüllt sind, die sie aussehen lassen, als hätte sie Wundbrand im Frühstadium.
»Hallo«, sagt jemand, und ich wirbele mit pochendem Herzen herum. Es ist Jack. »Ich dachte schon, ihr wärt ins Meer gespült worden, so lange wart ihr da draußen bei dem Fotografen.«
»Wem sagst du das.« Ich sehe ihm in die Augen.
Er erwidert meinen Blick, als wollte er mir etwas mitteilen. Ich weiß nur nicht, was.
»Ich bin Jack«, sagt er schließlich und streckt meiner Mutter die Hand entgegen.
O Gott, meine Mutter . Aus irgendeinem Grund war meinem Gedächtnis ihre Anwesenheit vorübergehend entschlüpft. In ihrem durchgeknallten Hut. Und der grauenhaften Strumpfhose. Und … oh, Mum, bitte benimm dich .
»Sehr angenehm«, lächelt sie ihn an. »Ich bin Sarah, Evies Mutter. Und Sie sind einer der Exfreunde meiner Tochter, nehme ich mal an?«
Die Frau ist eine Bürde.
»Nein, Mum«, gehe ich dazwischen, »Jack ist …«
»Oh, tut mir leid. Ich dachte nur, weil sie in der letzten Zeit so viele davon angesammelt hat«, setzt sie noch einen drauf. »Wo ich gehe und stehe, treffe ich auf jemanden, mit dem sie mal zusammen war.«
» Ha, ha, ha, ha, ha, ha! «, platze ich heraus. Am liebsten würde ich sie erdrosseln. »Der war gut, Mum. Na, jedenfalls, ähm, also …«
Ich würde das Gespräch gern auf ein Thema lenken, bei dem meine Mutter mich nicht in Verlegenheit bringen kann.
Aber irgendwie ist das gar nicht so einfach.
»Freut mich sehr, Sarah«, sagt jetzt Jack. »Wobei ich mir schon gedacht hatte, dass Sie beide Mutter und Tochter sind. Sie sehen sich so ähnlich.«
Gott steh mir bei. Ich hoffe, er glaubt nicht, ich hätte auch eine ähnliche Garderobe.
»Entschuldigt mich bitte mal kurz«, sagt meine Mutter. »Ich bin am Verhungern.«
Schon wage ich zu hoffen, sie würde verschwinden und sich etwas zu Essen suchen. Doch stattdessen reißt sie eine Kellnerin fast zu Boden, die mit einem Tablett voller Kanapees an uns vorbeiläuft.
»Sie wissen nicht zufällig, ob die Bio sind, oder?«, fragt sie.
Die Kellnerin, die kaum alt genug aussieht, um einen Schulabschluss zu haben, schüttelt den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
»Ist da irgendwo Gelatine drin?«
Wieder schüttelt das Mädchen den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Irgendwas Veganes dabei?«
»Ähm, ich glaube, auf dem hier ist Spinat.« Sie deutet auf etwas schlammig Grünes, das ein quadratisches Blätterteigteilchen krönt.
»Und sind in dem Teig tierische Fette?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Mum«, unterbreche ich, »musst du das wirklich alles fragen?«
»Natürlich«, antwortet sie. »Und du solltest das auch, junge Dame, bei deinen ganzen Allergien.«
Meine Allergien beschränken sich auf genau eine – gegen Meeresfrüchte -, und selbst darauf habe ich seit mindestens fünf Jahren nicht mehr reagiert.
»Also, wo war ich«, fährt meine Mutter fort. »Was ist mit den Eiern, sind die von freilaufenden Hühnern?«
Die Kellnerin sieht aus, als würde ihr bei der nächsten Frage der Kopf platzen.
»Ich könnte mal den Koch fragen gehen, wenn Sie möchten«, bietet sie an.
Meine Mutter zuckt die Achseln. »Wissen Sie was, ich riskiere es einfach.« Damit türmt sie sich genug Kanapees auf die Serviette, um eine Kleinfamilie zwei Tage lang zu verpflegen.
Angestrengt überlege ich, wie ich Jack von diesem grotesken Intermezzo ablenken kann, aber wie üblich fällt mir nichts Passendes ein.
»Hast du ein schönes Zimmer bekommen?«, erkundige ich mich und merke sofort, dass das
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