Bleib nicht zum Frühstück
Sie vorhin, erraten, daß ich schwanger bin; aber Cal bat ihn, so lange dichtzuhalten, bis er es Ihnen selbst erzählt.«
Lynn schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an.
»Aber das kann doch nicht alles sein – es erklärt jedenfalls nicht, weshalb du dich uns gegenüber so feindselig verhalten hast.«
Janes im Schoß gefaltete Hände verkrampften sich, und wieder einmal mußte sie sich zwingen, Lynn ins Gesicht zu sehen. »Sie wissen nun, daß ich mich bereit erklärt hatte, mich scheiden zu lassen, sobald das Baby geboren ist. Da Sie erst kürzlich eine Schwiegertochter verloren haben, die Ihnen am Herzen lag, erschien es uns grausam, Sie so bald einem zweiten Verlust auszusetzen. Na ja, vielleicht hätten Sie mich ja überhaupt nicht gemocht«, fügte sie eilig hinzu.
»Womöglich entspreche ich ohnehin nicht dem, was Ihnen für Cal vorgeschwebt hat. Aber trotzdem wäre es falsch gewesen, mich in Ihre Familie zu drängen, wenn ich gar nicht zu bleiben gedachte.«
»Also hast du beschlossen, dich so unbeliebt wie möglich zu machen.«
»Es – es schien mir die einzig richtige Möglichkeit…«
»Ich verstehe.« Die Strenge ihrer Miene legte sich ein wenig, und Jane merkte, daß sie nun wieder der beherrschten Frau gegenübersaß, der sie zu Anfang ihres Aufenthalts in Salvation begegnet war. Sie warf Jane einen fragenden Blick zu. »Und, was empfindest du für Cal?«
Jane zögerte, und dann sprach sie einen Teil der Wahrheit aus. »Ich habe furchtbare Schuldgefühle wegen meiner Hinterhältigkeit.«
»Die Leute behaupteten seinerzeit, ich hätte Jim ebenfalls durch meine Schwangerschaft in die Falle gelockt, aber das stimmte nicht.«
»Sie waren damals fünfzehn, Lynn, wohingegen ich vierunddreißig bin. Ich wußte genau, was ich tat.«
»Und jetzt versuchst du, dieses Unrecht wiedergutzumachen, indem du ihn sitzenläßt.«
Nach all ihren Enthüllungen hätte sie angenommen, daß ihre Schwiegermutter froh sein würde über ihr Verschwinden. »Er ist nicht… ist nicht bereit zu einer dauerhaften Ehe, so daß es wohl kaum einen großen Unterschied macht, wenn ich jetzt schon gehe statt in ein paar Monaten. Ich muß zurück zu meiner Arbeit. Sicherlich ist es so am besten.«
»Wenn du das denkst, warum weinst du dir dann die Augen aus?«
Da ihre Nasenflügel bebten, stand sie eindeutig abermals kurz vor einem Tränenausbruch. »Bitte bedrängen Sie mich nicht weiter, Lynn. Bitte nicht!«
»Du hast dich in ihn verliebt, nicht wahr?«
Sie sprang von ihrem Stuhl. »Ich muß jetzt los. Selbstverständlich können Sie so viel Kontakt zu dem Kind haben, wie Sie wollen. Niemals würde ich Ihnen Ihr Enkelkind vorenthalten.«
»Ist das dein Ernst?«
»Absolut.«
»Du wirst uns das Baby nicht verweigern?«
»Nein!«
»Also gut, ich nehme dich beim Wort.« Lynn erhob sich ebenfalls. »Und zwar ab sofort.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich möchte, daß mein Kontakt zu meinem Enkelkind in diesem Augenblick beginnt.« Ihre sanfte Stimme stand in krassem Gegensatz zu ihrem unnachgiebigen Gesichtsausdruck. »Du sollst bleiben.«
»Aber das geht nicht.«
»Dann brichst du dein Versprechen also schon jetzt?«
Ihre Erregung wuchs. »Das Baby ist doch noch gar nicht auf der Welt. Was wollen Sie denn von mir?«
«… dich kennenlernen! Seit dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind, hast du dir solche Mühe gegeben, nicht du selbst zu sein, daß ich keine Ahnung habe, wer du wirklich bist.«
»Aber ich habe Ihnen gebeichtet, daß ich Ihren Sohn auf unehrliche Weise in die Falle lockte. Reicht das nicht?«
»Es sollte genug sein, aber trotzdem kommt noch etwas dazu. Ich habe keine Ahnung, was Cal für dich empfindet – aber er sah in den letzten Wochen glücklicher aus als seit langer Zeit. Außerdem frage ich mich, weshalb Annie dich so gerne hat. Meine Mutter ist schwierig, aber nicht dumm. Was also hat sie wahrgenommen, was mir bisher verborgen blieb?«
Jane rieb sich die Arme. »Was Sie wollen, ist unmöglich.
Ich kann nicht zu Cal zurück.«
»Dann bleib eben bei Annie und mir.«
»Hier?«
»Ist dieses Haus vielleicht nicht gut genug für dich?«
»Daran liegt es nicht.« Sie wollte etwas über ihre Arbeit sagen, aber hatte nicht mehr genug Energie dazu. Inzwischen war sie von den ganzen Dramen dieses Tages erschöpft. Der Gedanke, nach Asheville zu fahren und in ein Flugzeug zu steigen, machte sie vollends fertig.
Ein weiteres Rotkehlchen raschelte durch den Magnolienbaum, und sie
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