Bleib nicht zum Frühstück
Stirn begriff sie, daß sie die Karten auf den Tisch legen mußte. Cal hatte es mit dem Bestreben, seine Eltern zu schützen, gut gemeint; aber inzwischen wirkten sich seine Bemühungen eher schädlich auf die Familie aus. Während der letzten Monate hatte sie gelernt, daß sich Leid niemals durch Täuschungen lindern ließ.
»Es ist von Cal«, sagte sie gefaßt. »Traurig, daß Sie es auf diese Weise herausfinden mußten!«
Ungläubig nahm Lynn die Nachricht auf. »Aber, er hat nie – er hat nichts davon gesagt. Warum hat er mir denn nichts erzählt?«
»Weil er versucht hat, mich zu schützen.«
»Vor was?«
»Vor Ihnen und Dr. Bonner. Cal wollte nicht, daß einer von Ihnen herausfindet, was ich ihm angetan habe.«
»Ach, du liebe Güte!« Lynns Miene verriet die Leidenschaft einer Löwin, die ihr Junges, obgleich inzwischen König des Dschungels, verteidigen will. »Sag mir alles!«
Annie hob die Schale vom Boden auf. »Ich gehe schon mal rein und mache meine Bohnen so, wie ich sie mag.
Janie Bonner, du bleibst hier, bis du die Sache mit Amber Lynn geregelt hast, ist das klar?« Sie schlurfte auf die Hintertreppe zu.
Janes Beine trugen sie nicht mehr, so daß sie sich ermattet auf den Stuhl sinken ließ, von dem sie eben aufgesprungen war. Lynn setzte sich ihr gegenüber und sah sie fragend an. Ihre Lippen waren zusammengepreßt und ihre Miene aggressiv. Sie erinnerte Jane an das kampflustige junge Mädchen, das nachts um zwei Kekse gebacken hatte, um ihren Mann und ihr Baby durchzubringen. Das teure gelbe Leinenkleid und der elegante Bernsteinschmuck konnten die Tatsache nicht überdecken, daß diese Frau wußte, wie man sich für die Menschen einsetzte, denen man verbunden war.
Die Professorin faltete ihre Hände im Schoß. »Cal wollte auch Ihnen und seinem Vater unnötiges Leid ersparen. Sie haben im letzten Jahr bereits so viel durchgemacht. Er dachte…« Sie senkte ihren Blick. »Kurz und gut, ich sehnte mich so verzweifelt nach einem Kind, daß ich mich habe von ihm schwängern lassen ohne sein Wissen.«
»Du hast was?«
Gepeinigt sah sie ihre Schwiegermutter an. »Es war falsch. Unverantwortlich. Aber ich wollte es wirklich für mich behalten.«
»Und dann hat er es doch erfahren.«
Sie nickte niedergeschlagen.
Lynns Lippen waren schmal und angespannt. »Wessen Entscheidung war es, zu heiraten?«
»Seine. Er hat mir gedroht, vor Gericht das alleinige Sorgerecht zu erstreiten, wenn ich mich nicht füge. Inzwischen kenne ich ihn gut genug, um zu bezweifeln, daß er seine Drohung wahr gemacht hätte – aber damals habe ich ihm geglaubt.«
Sie atmete tief ein und beschrieb den Vormittag, als Jodie Pulanski auf ihrer Schwelle gestanden hatte – dann erzählte sie Lynn von der geplanten Geburtstagsüberraschung der Männer aus Cals Footballteam. Anschließend beschrieb sie ihren unstillbaren Wunsch nach einem Kind und ihre Sorge, einen geeigneten Vater zu finden. Sie erzählte alles, ohne zu beschönigen und ohne ihr Verhalten in irgendeiner Weise zu rechtfertigen.
Als sie ihre Reaktion auf Cals Fernsehauftritt und ihren Entschluß, ihn zu benutzen, schilderte, preßte Lynn ihre Finger an ihren Mund und brach in halb entsetztes und halb belustigtes Gelächter aus. »Willst du damit etwa sagen, daß du dich für Cal entschieden hast, weil du dachtest, er wäre dumm}«
Schon hub sie an, Lynn zu erklären, was für eine Sprache er benutzte und wie dämlich und prachtvoll zugleich er ihr erschienen war, aber dann ließ sie es sein. Es gab Dinge, die eine liebende Mutter sicher nie verstand. »Ganz offensichtlich habe ich ihn falsch beurteilt, obwohl ich erst mehrere Wochen nach unserer Hochzeit dahinterkam.«
»Alle Welt weiß, daß Cal ein Senkrechtstarter ist. Wie konntest du da etwas anderes glauben?«
»Vermutlich habe ich meine eigene Cleverneß überschätzt.«
Sie fuhr mit ihrer Geschichte fort, wobei sie mit der Hatz der Journalisten auf sie beide und ihrem Entschluß, Cal nach Salvation zu begleiten, endete.
Lynns Miene blitzte zornig auf, aber zu Janes Überraschung richtete sich die Verärgerung ihrer Schwiegermutter nicht gegen sie. »Der Junge hätte mir von Anfang an die Wahrheit sagen sollen.«
»Er wollte nicht, daß irgend jemand aus seiner Familie es erfuhr. Seiner Meinung nach würde keiner richtig mit der Wahrheit umgehen können.«
»Nicht einmal Ethan hat er sich anvertraut?«
Jane schüttelte den Kopf. »Letzten Freitag… trafen wir uns. Tja, er hat, ebenso wie
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