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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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wäre, hätten wir beide große Vorteile davon haben können.«
    »Du würdest deine eigene Schwester verkaufen?« rief sie.
    »Oh, nur an den Meistbietenden«, versicherte er trocken.
    Judith warf ein Kissen nach ihm, dann beugte sie sich über den Tisch und studierte die Anordnung der Schachfiguren auf dem Brett. Schach war eine Möglichkeit, ihren Verstand zu trainieren, besonders vor einem Abend am Spieltisch.
    »Wenn wir in London sind und irgend jemandem auch nur für eine Sekunde der Verdacht kommt, wir wären nicht das, was wir zu sein scheinen, werden wir natürlich niemals in Gracemeres Kreise hineinkommen«, sagte Sebastian jetzt ganz ernst. Er nippte an seinem Sherry. »Du hast Carrington ungewollt den falschen Eindruck vermittelt. Ich glaube, es wird Zeit, dezentere Ausschnitte und eine fromme Miene zur Schau zu tragen, meine Liebe.«
    »Und was wirst du zur Schau tragen, Bruder?« Sie betrachtete ihn über den Rand ihres Glases hinweg.
    »Oh, ich werde mich als ernsthafter Student fremder Länder ausgeben«, erklärte er. »Ich werde ausgedehnte Reisen gemacht haben und erstaunlich viel wissen und erstaunlich langweilig sein, während ich ununterbrochen Vorträge über die Flora und Fauna exotischer Paradiese halte.«
    Judith kicherte, als sie sich ihren gutgelaunten, immer zu Späßen aufgelegten Bruder in einer solchen Rolle vorstellte. »Du würdest auf gestreifte Westen und gestärkte Halstücher verzichten und Whist für einen Penny pro Punkt spielen müssen.«
    »Also, ich glaube nicht, daß ich das könnte«, erwiderte er. »Nicht, wenn wir genug verdienen müssen, um unsere Ausgaben zu bezahlen.« Er trat neben Judith und blickte auf das Schachbrett. »Kannst du es sehen? Weiß zieht und setzt den Gegner in drei Zügen matt. Ich habe eine halbe Stunde lang darauf gestarrt und komme nicht darüber hinaus, den Bauern in eine Dame zu verwandeln. Aber dann ist es ein Patt.«
    Judith runzelte nachdenklich die Stirn. Was, wenn der Bauer statt dessen durch einen Springer ersetzt würde ? Sie ging die einzelnen Züge im Geist durch. »Laß uns mal Bauer gegen Dame sieben versuchen.«
    Sebastian bewegte die Schachfiguren, folgte jetzt allein weiter der Logik des Spiels und löste dann das Problem. »Kluges Mädchen«, sagte er und kippte den schwarzen König mit der Fingerspitze um. »Du hast schon immer weiter vorausblicken können als ich.«
    »Beim Schach ja, aber beim Piquet bist du besser.«
    Sebastian zuckte die Achseln, erhob jedoch keine Einwände. »Wollen wir essen?« Er wies auf den Tisch.
    Judith rümpfte die Nase über das langweilige, wenig nahrhafte Mahl, das ihre Hauswirtin serviert hatte. »Brot und Käse. Schon wieder.«
    »Aber wir essen nachher bei den Gardeners«, erinnerte Sebastian sie und schnitt eine Scheibe Brot ab. »Und das Abendessen beim Ball der Duchesse von Richmond sollte mehr als schmackhaft sein.«
    »Und ich wage zu behaupten, daß der ehrenwerte Marquis von Carrington ebenfalls anwesend sein wird.« Judith setzte sich und grub ein Messer in das Stück Käse. »Bis jetzt habe ich mich nicht allzu geschickt dabei angestellt, ihn zu entwaffnen, nicht?« Sie runzelte die Stirn. »Es ist nicht sehr kokett, einem Mann mit Erschießung zu drohen.« Sie nahm den Käse mit den Fingern vom Messer und steckte ihn sich geistesabwesend in den Mund. »Oh!« Plötzlich fiel es ihr wieder ein. »Ich muß noch eine Ehrenschuld begleichen. Ich schulde Carrington zwanzig Guineas.«

4. Kapitel
    Es erscheint kaum möglich, daß Napoleon und seine Armee nur einen Steinwurf weit von der Stadt entfernt sind, dachte Judith, als sie und Sebastian sich am Abend in die Empfangsschlange einreihten, die sich langsam die breite Treppe hinaufwand, um der Duchesse von Richmond vorgestellt zu werden, die auf dem obersten Treppenabsatz stand.
    Es gab mehr Männer in Uniform als in zivilen Abendanzügen. Die Frauen glitzerten unter den Kristallkronleuchtern - ein Schwarm juwelenbehangener Schmetterlinge in Kleidern sämtlicher Farbschattierungen des Regenbogens. Doch hinter all der Fröhlichkeit lauerte etwas - in der Unterhaltung schwang eine gewisse fiebrige Unruhe mit, in das Gelächter mischte sich ein leicht schriller Unterton, Blicke wanderten häufig abgelenkt durch den Raum, nach einem Zeichen, einem Hinweis auf neue Informationen Ausschau haltend. Die Gesellschaft, die sich an diesem schwülen Juniabend in den Salons der Duchesse von Richmond versammelt hatte, war voll gespannter Erwartung auf

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