Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
Vom Netzwerk:
weg. Dann sprang sie auf den Kutschbock, schlug einmal mit den Zügeln und schnalzte aufmunternd mit der Zunge. Mit einem schweren Seufzer setzte sich das Pferd in Bewegung und trabte die Straße hinunter.
    Kaum hatte Judith die ärmeren Viertel hinter sich gelassen, als ihr klarwurde, daß die Panik in der Stadt überhandzunehmen drohte. Haustüren standen sperrangelweit offen, während die Hausbewohner mit ihrer Habe hin und her rannten und Kutschen und Zweispänner beluden. Männer und Frauen eilten durch die Straßen, und überall war der verzweifelte Ruf nach Pferden zu hören.
    Als Judith eine enge Kopfsteingasse entlangfuhr, sprangen zwei Männer aus dem Dunkel, hielten das Pferd am Geschirr fest, dicht über dem Maul. Der Gaul blieb augenblicklich stehen und schnaubte erleichtert. »In Ordnung, Miss, Ihr Pferd ist hiermit beschlagnahmt«, sagte einer der Männer. Er trug die Kattunschürze eines Dieners, doch der Mann in seiner Begleitung war ein stämmiger, kräftig gebauter Gentleman in seidener Weste und Kniehosen. Er atmete schwer und klammerte sich an den Zügeln fest, als hinge sein Leben davon ab.
    »Auf wessen Befehl?« fragte Judith. Ihre Hand bewegte sich langsam auf ihre Tasche zu und schloß sich um die Pistole.
    »Auf wessen Befehl? Das sollte Sie nicht kümmern«, keuchte der Gentleman. »Ich brauche dieses Pferd.«
    »Nun, ich auch«, entgegnete Judith. »Lassen Sie die Zügel los, wenn Sie so freundlich sein wollen, Sir.«
    Der Mann in der Schürze trat an die Kutsche heran, sein Gesichtsausdruck war finster und bedrohlich. Er hielt einen Knüppel in der Hand. »Also, bitte machen Sie keine Schwierigkeiten, Miss. Sie klettern hier hübsch schnell herunter, und niemand wird verletzt werden.«
    »Ich hasse es, Ihre Illusionen zu zerstören, aber es wird ganz sicherlich jemand verletzt werden.« Judith zog die Pistole aus ihrer Tasche und zielte damit auf den Mann mit dem Knüppel. »Gehen Sie von der Kutsche weg, und Sie, Sir, lassen das Pferd los!«
    Der Gentleman schnappte keuchend nach Luft und ließ die Zügel fahren, aber sein Diener war aus härterem Holz geschnitzt. »Sie wird sie nicht benutzen, Sir. Hab' noch nie eine Frau erlebt, die es ertragen konnte, einen Pistolenknall zu hören, geschweige denn, ein Schießeisen abzufeuern.«
    »Nun, dann lassen Sie mich Ihnen eine ganz neue Erfahrung vermitteln, guter Mann.«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag schoß Judith mit ihrer Waffe. Die Kugel zischte so dicht am Ohr des Dieners vorbei, daß er den Luftzug spüren konnte. Mit einem unflätigen Fluch sprang er zurück. Im gleichen Moment machte das erschreckte Pferd einen Satz vorwärts, und Judith schlug ihm die Zügel auf den Rücken, um es noch kräftiger anzutreiben. Der alte Gaul galoppierte in flottem Tempo die Gasse hinunter, während der Karren auf seinen eisernen Rädern hinter ihm über das Pflaster holperte und schlingerte.
    Judith lachte aus purem Hochgefühl; dann merkte sie erst, daß ihre Hände die Zügel so fest umklammert hielten, daß sie ganz taub waren. Während der Auseinandersetzung mit den beiden Männern war sie sich keiner Angst bewußt gewesen, aber jetzt begann ihr Herz zu hämmern. Sie ließ die Zügel locker, als sie die holprige Gasse hinter sich gelassen hatten, und atmete mehrmals kräftig durch, bis sie sich wieder ruhiger fühlte.
    Sie bog in die breite, von Bäumen gesäumte Durchgangsstraße ein, die sie zur Straße von Quatre Bras bringen würde.
    Lord Carrington stand vor einem hohen Stadthaus und beobachtete die Eskapaden seiner Landsmännin Miss Davenport mit Belustigung und Erstaunen. Er war in Reitkleidung und schlug ungeduldig mit der Gerte gegen seine Stiefel, während er darauf wartete, daß man ihm sein Pferd brachte. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, die Gestalt auf dem Kutschbock des Karrens zu erkennen, der jetzt die Straße hinunterfuhr. Sie trug keinen Hut, und die üppigen kupferfarbenen Locken waren unverkennbar im hellen Licht des Mondes.
    Wo zum Teufel wollte sie hin? Als Judith auf gleicher Höhe mit ihm war, sprang er ohne bewußte Absicht vor, um ihr den Weg abzuschneiden. Er schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Wagen und landete auf dem Sitz neben ihr. »Wohin des Weges, Miss Davenport? Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß Sie davonlaufen.«
    Judith blinzelte ihn an, verwirrt über sein plötzliches, unerwartetes Auftauchen. »Nein, natürlich laufe ich nicht weg, aber Sebastian ist fortgegangen, um die

Weitere Kostenlose Bücher