Bleib ungezaehmt mein Herz
Schlacht zu beobachten, und ich werde nicht untätig zu Hause herumsitzen, während die Männer all die Aufregung haben. Was tun Sie in meinem Wagen?«
»Ich lasse mich ein Stück mitnehmen«, erwiderte er kurz. »Was zum Teufel denken Sie sich eigentlich dabei, nach Quatre Bras zu fahren?«
»Was geht es Sie an, Lord Carrington, wohin ich fahre?«
Er hatte keine Mühe, diese Frage zu beantworten. »Sie sind unverantwortlich impulsiv, Miss Davenport«, erwiderte er unumwunden. »Wie konnte Ihr Bruder Sie nur allein lassen, damit Sie so einen Unfug ausbrüten?«
»Ich bin durchaus in der Lage, auf mich selbst aufzupassen und mich nötigenfalls zu verteidigen, Mylord.« Sie funkelte ihn im grauen Licht der Morgendämmerung an.
»Gegen einen unbewaffneten Mann, schon möglich. Aber gegen eine Horde plündernder, brandschatzender Soldaten nach einer Schlacht? Gestatten Sie mir, das zu bezweifeln, Madam.«
»Ich habe mich und mein Pferd gerade höchst erfolgreich gegen zwei bewaffnete Männer verteidigt«, gab sie zurück.
»Meine Glückwünsche«, sagte er bissig. »Ich bin jedoch nicht im geringsten beeindruckt von Ihren Selbstverteidigungsfähigkeiten oder Ihrem tollkühnen Mut.«
»Das ist nicht Ihre Angelegenheit!«
»Im Gegenteil, es scheint, als würden Sie mit geradezu bestürzender Geschwindigkeit zu meiner Angelegenheit.« Marcus streckte seine langen Beine aus und machte es sich bequem, offensichtlich für längere Zeit. »Ich habe die Absicht, unsere flüchtige Bekanntschaft zu vertiefen.« Er warf ihr einen scharfen Blick zu, und sie hatte den Anstand, zu erröten. »Ich hätte mir denken können, daß Sie auf eine so gut gemeinte Geste so niederträchtig reagieren würden.«
Judith holte tief Luft. »Vielleicht war ich etwas grob, aber ich mag es nun mal nicht, wie ein Stück Ware beschafft zu werden.«
»Beschafft?« rief er. »Also, von allen...« Seine Schultern fingen an zu zucken. »Was für ein ausgefallenes Vokabular Sie haben, Luchs. Oder vielleicht ist es auch nur das Produkt einer überreizten Phantasie.«
»Ich mag es auch nicht, wenn man mich auslacht«, sagte Judith spitz.
»Nun, Sie sollten nicht so unglaublich beleidigend sein.«
Judith gab es auf, eine Schlacht zu schlagen, in der sie ernsthaft im Nachteil zu sein schien. Im Moment lag die Straße völlig verlassen da, ein blaß schimmerndes Band, das sich vor ihnen erstreckte, während Bäume und Hecken allmählich in der Morgendämmerung Gestalt annahmen. Der Himmel war tiefblau, der Nordstern ein glänzender Punkt in der Ferne, und Judith hatte das Gefühl, daß sie und Marcus ganz allein am Rande des Universums waren... allein und voller Erwartung auf etwas, das sie nicht benennen konnte. Sie spürte ein leichtes Unbehagen in der Magengrube, und ihre Haut schien ein Eigenleben zu führen. Marcus' muskulöser Schenkel auf dem engen Sitz neben ihr berührte plötzlich ihren, und ein Stromstoß
unbeschreiblicher Energie durchzuckte ihren gesamten Körper.
Marcus fühlte den Ruck tief in seinem eigenen Inneren, fühlte die Energie, die von Judith ausströmte und sich mit seiner eigenen verband. Er verstärkte den Druck seines Schenkels gegen ihren. Leichtsinn und Verwegenheit hatten seine Seele erfaßt. Er begehrte diese Frau, so wie er noch keine andere begehrt hatte, und es war ihm egal, was er tun mußte, um sie zu besitzen. Wenn er sich den seltsamen Zauber dieser Fahrt in der Morgendämmerung zunutze machen konnte, wenn er aus der Besorgnis und Erregung und der Dramatik der Ereignisse, die den gegenwärtigen Augenblick bestimmten, seinen Vorteil ziehen konnte, dann würde er es tun. Er fühlte die Anspannung in dem Körper, der seinem so nahe war, und schwieg eine ganze Weile, ließ Judith Zeit, sich an die Erregung gewöhnen. Als er erneut zu sprechen begann, tat er es mit einer heiteren Nonchalance, die im krassen Gegensatz zu der knisternden erotischen Spannung zwischen ihnen stand.
»Wie haben Sie es fertiggebracht, an dieses eselsohrige Beförderungsmittel heranzukommen?« fragte er und betrachtete ihre Hände auf den Zügeln.
Judith starrte geradeaus zwischen den Ohren des Pferdes hindurch; die harmlose Frage verschaffte ihr eine Atempause. Nach einer Weile antwortete sie ruhig: »Oh, ich habe den Wagen vor einer Taverne entdeckt. Sein Besitzer ist inzwischen wahrscheinlich schon so berauscht, daß er den Verlust erst in ein paar Stunden bemerkt.«
Marcus setzte sich kerzengerade auf. »Wollen Sie mir damit
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