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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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eine Wahl geblieben...? Arme kleine Betrogene. Marcus schloß die Augen bei der Erinnerung an Marthas verzweifeltes Gesicht, verschloß seine Ohren vor ihren gebrochenen Schluchzern. Ein ungezähmter Luchs würde sich niemals in eine derartige Lage bringen. Eine skrupellose Abenteurerin würde die Dinge so arrangieren, wie es ihr am besten paßte. Hatte Judith die Stimmen auf der Treppe gehört? Hatte sie gewußt, wer im Schankraum war, bevor sie hereinkam... ihre Kleider fast unordentlich, während jede Kurve, jede Linie ihres Körpers die Aura einer befriedigten Frau ausstrahlte? Hatte sie das hier sorgfältig eingefädelt? Aber selbst wenn es so war, als Mann von Ehre hatte er keine andere Wahl, als sie zu heiraten.
    »Ja, sie hat ihn geheiratet«, antwortete Marcus, »und starb neun Monate später im Kindbett, überließ es ihm, ihr Vermögen zu verspielen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte nie wieder über Martha sprechen. Du und sie, ihr seid so verschieden, daß man fast glauben könnte, ihr gehörtet völlig anderen Spezies an.«
    Judith wollte ihn fragen, ob er glaubte, er könne glücklich mit ihr verheiratet sein, aber tief in ihrem Innern wußte sie die Antwort bereits. Er heiratete sie nicht aus freien Stücken, sondern sah sich zu diesem Schritt gezwungen - sein Tonfall und jedes einzelne seiner Worte machten das unmißverständlich klar.
    Wäre da nicht die Sache mit Gracemere gewesen, hätte Judith Marcus davonkommen lassen. Sie hätte ihm erklärt, daß in ihren Kreisen der gute Ruf einer Frau keine Rolle spiele und daß sie damit zufrieden wäre, seine Geliebte zu sein, solange es ihnen beiden gefiele. Aber sie würde nichts von alledem sagen. Sie war eine Glücksspielerin, und das Schicksal hatte ihr ein perfektes Kartenblatt ausgeteilt.
    Judith drehte den Kopf und begegnete seinem kühlen Blick. »In Ordnung, schließen wir einen Handel ab«, sagte sie schlicht. Marcus nickte kurz zur Bestätigung und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder der Straße zu.
    Judith schloß die Augen, horchte auf das Dröhnen der Kanonen, das immer näher kam. Auf der Straße wimmelte es von Soldatenkolonnen, Pferden und Geschützwagen, und flüchtende Zivilisten vermischten sich mit den Überresten einer zurückweichenden Armee. Plötzlich schienen alle Gedanken an Leidenschaft und Rache trivial und unbedeutend inmitten eines Ereignisses, das Tausende von Leben auslöschen und die Zukunft ihrer Welt bestimmen würde.

7. Kapitel
    Das Dorf Quatre Bras lag an einer Kreuzung. In Judiths Augen sah es wie ein Dorf aus Dantes »Inferno« aus. Die Schlacht tobte immer noch, und über den zerstörten Land-und Bauernhäusern entlang der Straße hing eine schwere Wolke von Pulverdampf. Tote und Verwundete lagen überall, wo man eine freie Stelle für sie hatte finden können, und aus dem chirurgischen Feldlazarett stiegen Schreie der Qual in die Abendluft auf.
    Die Hauptstraße des Dorfes war gedrängt voll mit Soldaten und Pferden, ein verletztes Pferd zappelte hilflos in den Zuggurten eines umgekippten Geschützwagens und wieherte gepeinigt, während eine Gruppe von Männern sich abmühte, die Gurte durchzuschneiden und die Kanone aufzurichten.
    »Großer Gott, du solltest wirklich nicht hier sein«, murmelte Marcus zu Judith. »Was zum Teufel fange ich jetzt bloß mit dir an?«
    »Du brauchst überhaupt nichts mit mir anzufangen«, erklärte Judith. »Ich steige hier aus. Es gibt viel zu tun.«
    Marcus warf ihr einen Blick von der Seite zu, nahm den resoluten Zug um ihre bleichen Lippen wahr und zog die Zügel an. Sie waren hinter der Frontlinie, aber immer noch nahe genug, um gefährdet zu sein. Er legte eine Hand auf ihren Arm, als sie vom Wagen abspringen wollte. »Nur eine Minute.«
    »Wir verschwenden wertvolle Zeit«, sagte sie ungeduldig.
    »Es ist nicht sicher hier«, warnte er.
    »Es ist nirgendwo sicher«, entgegnete sie und wies auf das Chaos um sie herum. »Ich werde vorsichtig sein.«
    Marcus runzelte die Stirn, dann zuckte er resignierend mit den Schultern. »Na gut, wie du meinst. Zieh den Kopf ein und halte dich nach Möglichkeit von offenem Gelände fern. Ich werde zu Wellingtons Hauptquartier gehen. Bleib im Dorf, ich hole dich dann wieder ab, sobald ich weiß, was los ist.«
    Sie nickte und sprang vom Wagen. Dann raffte sie ihren Rock und rannte über die schmale Straße zu der Stelle, wo eine Gruppe von Verwundeten im Schatten einer Hecke lag.
    Viele Stunden lang, noch lange, nachdem die

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