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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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leicht verärgerten Blick, und dann wurde Judiths Miene so ruhig und ausdruckslos wie die einer Puppe. Marcus kannte diese Miene. Es war das Gesicht, das Bruder und Schwester an den Spieltischen aufsetzten. Ein unbehagliches Kribbeln lief ihm den Rücken hinunter.
    »Lord Gracemere und ich haben gerade die Sternbilder bestimmt«, erklärte sie.
    »Ihre Frau scheint eine fähige Astronomin zu sein, Carrington.«
    »Meine Frau hat viele Fähigkeiten.«
    Die Spannung in der Luft war so erstickend wie eine Decke. Judith machte eine instinktive Anstrengung, die Atmosphäre zu entspannen. Sie lachte. »Allerdings eine seltsame Mischung von Fähigkeiten, wie ich fürchte. Meine reguläre Schulausbildung wurde sträflich vernachlässigt.«
    »Auf dem Kontinent aufzuwachsen, muß an sich schon bildend gewesen sein«, bemerkte Gracemere und bot Marcus seine Schnupftabakdose an, die dieser mit einem nichtssagenden, höflichen Lächeln ablehnte.
    »Ich spreche fünf Sprachen«, sagte Judith. »Und meine mathematischen Kenntnisse sind ganz ordentlich, zumindest auf einigen Gebieten.« Sie warf Marcus einen schelmisch-verschwörerischen Blick zu, als sie hinzufügte: »Ich kann recht gut zählen, nicht wahr?«
    »Fehlerlos«, gestand er, unfähig, der spielerischen Aufforderung zu widerstehen. Es kam nur zu selten vor, daß Judith sich mit ihm verbündete, und er fühlte, wie seine Anspannung etwas nachließ und sich die heiße Wut in seinem Inneren abkühlte. Judith hatte nichts mit seiner Vergangenheit zu tun, und in diesem Augenblick hatte sie nur Augen für ihn, und es gab keinen Anlaß, diesen seltenen Moment des Einverständnisses zwischen ihnen zu trüben. »Ich überlege gerade, ob ich dich wohl dazu überreden kann, mit deinem Mann zu tanzen?«
    Judith legte den Kopf auf die Seite und überlegte. »Nun, es ist gewiß ungewöhnlich, und ich möchte nicht gerade behaupten, daß wir uns gegenseitig ununterbrochen auf der Pelle hocken.«
    »Gott bewahre! Wenn du glaubst, daß in dieser Hinsicht auch nur die geringste Gefahr besteht, dann mache ich mich augenblicklich rar.«
    Gracemere, der dem Geplänkel zuhörte, kam es vor, als hätten die beiden seine Anwesenheit völlig vergessen. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er, verbeugte sich und ging davon.
    Marcus bot Judith seinen Arm. »Stürzen wir uns ins Getümmel, verehrte Gattin.«
    »Wenn du darauf bestehst.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum du dich unbedingt so quälen willst. Wir wissen beide, daß dich tanzen tödlich langweilt.«
    »Das mag schon sein«, erwiderte er, als sie ihre Plätze in der Kotillonreihe einnahmen. »Aber deine Gesellschaft hat mich noch nie gelangweilt.«
    »Nein, nur verärgert«, sagte sie schelmisch lächelnd.
    »Und ungemein amüsiert, erregt und befriedigt«, erwiderte er mit einem ausdruckslosen Lächeln, das im krassen Gegensatz zu seinen Worten und dem sinnlichen Glanz in seinen Augen stand.
    Sie schritten mit der Reihe vorwärts und wurden durch die Figuren des Tanzes getrennt. Als sie wieder zusammenkamen, bemerkte Marcus: »Du amüsierst dich heute abend jedenfalls, wie mir scheint.«
    »Ist das etwa ein Verbrechen?« Sie hob herausfordernd die Brauen.
    Er schüttelte den Kopf. »Steck dein Schwert wieder ein, mein Luchs. Ich werde mich heute abend nicht mit dir streiten.«
    »Nein?« In ihrer Stimme schwang Enttäuschung mit. »Aber wir sind so gut im Streiten.«
    Der Tanz trennte sie erneut, bevor Marcus etwas erwidern konnte. Als Judith zu ihm zurückkehrte, war sie plötz-lich abgelenkt, ihr Blick auf einen Punkt hinter Marcus' Schulter fixiert. »Meine kümmerlichen Anstrengungen, dich zu unterhalten, scheinen dich nicht zu fesseln«, knurrte er, als sie auch auf seine zweite Bemerkung keine Antwort gab.
    »Entschuldige.« Trotzdem starrte sie immer wieder über seine Schulter hinweg und kaute dabei nachdenklich auf ihrer Unterlippe, und jedesmal, wenn Marcus sie berührte, fühlte er die innere Anspannung ihres schlanken, geschmeidigen Körpers.
    »Was ist denn, Judith?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Nur... kennst du Lady Barret?«
    »Agnes Barret? Ja, natürlich. Sie ist die Frau von Sir Thomas Barret. Sie gehört schon seit vielen Jahren zur gesellschaftlichen Szene... ursprünglich die Witwe irgendeines italienischen Grafen, soweit ich weiß. Im letzten Sommer hat sie dann Barret geheiratet.« Er zuckte die Achseln. »Barret ist ein gichtgeplagter alter Kauz, aber

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