Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Geheimhaltung keine offenen Ortsangaben erfolgen durften. Aus ‘O.U.’ kann man also nicht ablesen, wo sich die Truppe geographisch gesehen befand.
8) V.D.A.: Volksbund für das Deutschtum im Ausland
9) DAF: Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war in der Zeit des Nationalsozialismus der Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und wird teilweise auch als nationalsozialistische Einheitsgewerkschaft bezeichnet
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1942
Leni Helm an Hans Helm / Hans Helm an Leni Helm
Leipzig, den 15. Januar 1942
Mein lieber alter Strolch!
Nun sind es schon wieder drei Tage, daß Du weg bist von hier. Wie bist Du angekommen, wie hat man Dich empfangen und wie hast Du Dich wieder eingelebt und eingewöhnt? Ist denn die Besichtigung schon vorbei gewesen, und wie steht es mit Stolpemünde? Hat mein Daumen halten etwas genützt? Wenn nein, dann glaube ich nicht mehr daran. Bei uns geht nun wieder alles im alten Trott und fast kommt es einem immer nur wie ein schöner kurzer Traum vor, daß Du auf Urlaub da warst. Aber jetzt bin ich wieder Optimist, kleiner Mann, und glaube daran, daß Du bald wieder auf Urlaub kommst und freue mich jetzt schon drauf. Wirklich nur noch fünf Monate, und Du sollst mal sehen wie schnell die rum sein werden, so daß wir uns dann alle beide dann fragen werden, wo ist bloß die Zeit hin. Am Dienstag bin ich mit Mutter noch im Wartesaal 2. Klasse gewesen und haben beide eine Fleischbrühe getrunken und uns gewärmt. – Mal noch was – Wie war denn die Eisenbahnfahrt, war es sehr langweilig? Das war doch eigentlich ein tüchtiger Stiesel von Leutnant an Deinem Fenster. So was Ungehobeltes. Ich hätte den Kerl wegschubsen können. Hast Du denn wenigstens gesessen oder hat sich auch so ein Geist auf Deinem Platz breitgemacht? – Vor dem Hauptbahnhof haben Mutter und ich uns getrennt, Mutter ist nach Hause, und ich erst zu Sieler und Vogel. Dort traf ich natürlich die alte Kolben, die sich mal wieder in der Stadt rumdrückte. Sie hat mich dann gleich mit nach dem Telegraphenamt geschleppt und ich sie dafür erst mal mit zu Mutti. Grete rückte dann, und ich aß mit Mittagbrot. Suppe, ein halbes Kotelett und Kartoffeln. Dann bin ich mit Mutti noch mal nach der Theaterkasse gegangen. Sie wollte Karten für den ‘Kleinen Muck’. Es war aber alles ausverkauft. So hat mich Mutti wieder mit nach Hause geschleift und hat sie da noch eineTasse Bohne spendiert. Mit Büchsenmilch, kleiner Mann, es war ein Genuß. Um ½ 4 Uhr war ich dann wieder heim, krachte mich bis 4 Uhr aufs Kanapee und döste. Das Kaffeepäckchen von Fritz war natürlich prompt eingetroffen, so daß wir, als Frau Berthold am Dienstag dann kam, eine gute Tasse Kaffee kochen konnten. Wir waren sehr fleißig dann alle vier Mann, Mutter, Grete, Lisbeth und ich stopften Strümpfe. Um 9 Uhr rückte unser Besuch, ich schrieb Dein Kärtchen (hast Du es inzwischen erhalten?), und dann haute ich mich einsam und verlassen in meinen Kahn. Diese Nacht war wirklich furchtbar. Im Ganzen habe ich vielleicht eine Stunde geschlafen und die andere Zeit waren meine Gedanken bei Dir. Hast Du das gespürt? Und das alles, weil ich Dich so sehr lieb habe und mich so einsam ohne Dich fühle. Gestern bin ich mit einem leichten Grausen wieder ins Geschäft gegangen, wurde aber von keiner Seite behelligt, und heute bin ich nun schon wieder richtig drin in der Tretmühle. Gestern Abend haben wir mit Hochdruck Wäsche ausgebessert, bis ich gegen 10 Uhr Dampf machte, damit wir in den Kahn kamen, denn ich war wirklich hundmüde. Ich habe auch ganz fest durchgeschlafen, nur muß ich nach Gretes Aussage wieder ganz schön gestöhnt haben. Ja, also ich weiß von nichts. Heute sind wir bald eine Stunde vergebens nach einer Berliner rumgerannt. Es ist wirklich ein Jammer, da muß es eben diese Woche wieder ohne gehen. ... habe ich bis ¾ 7 Uhr unseren Kram weg geplättet, Abendbrot gegessen, und nun sitze ich über Deinem Brief. Nachher wollen Bambergs zum Spielen kommen wenn sie es nicht wieder vergessen sollte, und dann, kleiner Mann, freue ich mich schon wieder aufs Schlafen. Erstens können meine Gedanken ganz ungestört zu Dir wandern und dann könnte ich doch jetzt schlafen, schlafen und nochmals schlafen.
Und nun noch was Schönes. ‘Es bewegt sich doch!’ Ich glaube das wenigstens gespürt zu haben. Als ich am Dienstag die Vierteltunde auf dem Kanapee lag, da klopfte und gluckste es mit einemmal so in meinem Bauch. Es war ganz eigenartig. Jetzt spüre
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